MANN-O-METERBLÄSTZURAKTIONSWOCHE  ■  SCHWULE BLÄSSE

»Aktionstage«, einst mit kreativen, dezentralen Aktionen Ausdruck des lebendigen Politikstils sozialer Bewegungen, gehören heute längst zum Repertoire konservativer Gesellschaftsteile. Für »Aktionstage« beispielsweise mit Hanna Renate Laurien warb jüngst die CDU auf den Litfaßsäulen, bei den »Aktionswochen« meines Lieblingsfleischers in der Seelingstraße wiederum gibt es das Kilo Schnitzel dann immer zwei Mark billiger. Ein Homosexuellen-Projekt, so hat man sich wohl gedacht, darf in so einer Aufzählung nicht fehlen: Unter dem Motto »Trübsal ist nicht alles, was man im November blasen kann« beschloß schon im Februar der Vorstand des senatsfinanzierten Gay-Switchboards Mann-O-Meter die Durchführung von schwulen Aktionstagen. Doch statt gehörig in die Posaunen zu blasen, um die Hetero-Welt zum Einsturz zu bringen, ist eher Blässe und Glockenspiel angesagt.

Selbst auf »Blas-Ins« im KaDeWe oder Überfälle auf diejenigen Hetero-Männer, die schwul schon immer begehrte, soll verzichtet werden. Vielmehr würfelte Mann-O-Meter alle jene Veranstaltungen zusammen, die es sowieso schon regelmäßig gibt und die von der Zielgruppe und Intention her überhaupt nicht zusammenpassen: Weil man beispielsweise den Wirt gut kennt, wird der »bitterböse bunte Buß- und Bettag« im »WuWu« gefeiert. Weil man solange nichts mehr zum Thema AIDS gesagt hat, wurden zwei Safer-Sex-Gesprächskreise in die Aktionswoche integriert. Der »gewöhnliche Homosexuelle« — so die Begründung — sei schließlich »so breit strukturiert« und man wolle einfach alle Schwulen in ihrer Breite erreichen.

Darauf, wie nun Opa Lehmann und Oma Maier am verkaufsoffenen Donnerstag Abend auf die angekündigten Mann-O-Meter-Aktionen in den Westberliner Einkaufszonen reagieren, sind wir besonders gespannt. Doch in der Wilmersdorfer und Karl-Marx-Straße wird Mann-O-Meter die Blasinstrumente vermutlich auch nur auf die Gewalt-Trillerpfeifen reduzieren.

Gelegenheit zum Pfeifen besteht jedoch schon heute abend: Auf einem öffentlichen »Schwulen Wählerforum« möchte Mann-O-Meter um 20 Uhr mit Politikern aller Parteien diskutieren. SPD, FDP, AL und PDS haben bereits zugesagt, nur von der CDU steht die Antwort noch aus. Ein Faux-Pas am Rande: Das Bündnis 90 einzuladen, das im Gegensatz zu den etablierten Parteien mit Ausnahme der AL über einen offen schwulen Kanditaten verfügt, hatte man vergessen. Doch ob die Ex-DDR-BürgerInnenbewegungen an der Diskussion teilnehmen oder nicht, auf einen kurzen Abend kann man sich so oder so einrichten. Über die verschiedenen Parteiprogrammatiken in Bezug auf Homosexualität soll diskutiert werden, doch die haben sich ja bereits in der Vergangenheit als wenig ergiebig gezeigt.

Höhepunkt des gesamten Programms ist daher zweifelsohne der »Schwule Tr(D)ödelmarkt« am kommenden Samstag im SchwuZ; für Aktionswochen und andere Ladenhüter schließlich sind die Männer vom Mann-O-Meter immer zu haben. Ihr Motto gibt ihnen sogar recht: Statt Trübsaal im November kann man auch etwas anderes blasen, ich z.B. schlage vor: Weg mit dem Staub! Im Hinblick auf derart angestaubte Veranstaltungsinhalte und -formen ist's dafür auch allerhöchste Zeit. Micha Schulze

HEUTE20UHRIMMANN-O-METER,MOTZSTR.5,1-30