Betriebsausflug ins Großherzogtum

Die BRD-Fußball-Nationalmannschaft startet heute in die EM-Qualifikation: Nach 38 Jahren erstmals wieder gegen Luxemburg/ Reuter und Möller verletzt, die „Italiener" spielen, Zorc nachnominiert  ■ Von Thomas Roser

An Niederlagen haben sich die Fußballer Luxemburgs gewöhnt. Nach 18 Jahren ohne Sieg mag selbst Jean- Pierre Schummer, der Sekretär der „Federation Luxembourgeosie de Football“ (FLF), nicht mehr so recht an einen Erfolg des ersten Gegners der deutschen Fußballnational-Elf bei der EM-Qualifikation glauben. Die Chancen gegen den Weltmeister bei dessen Gastspiel am 31. Oktober beziffert er auf „0:99“. „Natürlich hat man stets Hoffnung“, erläutert er seine eigenwillige Prozentrechnung. „Aber die Realität überrennt uns immer wieder.“

„Träumen darf man“, meint hingegen Paul Philipp, seit fünf Jahren Nationaltrainer im Großherzogtum. Der engagierte Coach, der die Auftritte seiner Schützlinge lautstark und mit ausgiebigen Wanderungen an der Seitenlinie zu begleiten pflegt, hat im Gegensatz zu seinem Verbandssekretär die Hoffnung auf luxemburgische Fußballwunder noch lange nicht verloren.

„Wir wollen mitspielen“, umreißt Philipp mit landesüblicher Bescheidenheit die luxemburgischen Ambitionen gegen die Mannen von Berti Vogts. Motivationsschwierigkeiten haben die Luxemburger gegen den Weltmeister nicht. Erstmals seit 1976, als Bayern München im Europapokal auf den nationalen Seriensieger Jeneusse Esch traf, ist das frisch renovierte Stadion in der Hauptstadt schon seit Wochen ausverkauft. Philipp hofft, daß die Deutschen sein Team unterschätzen — spionierende DFB-Trainer wurden im Großherzogtum jedenfalls noch nicht gesichtet.

Immerhin war 1958 den Luxemburgern in einem Freundschaftsspiel gegen die übermächtigen Deutschen gar ein 4:1 Erfolg gelungen. Doch der einstige Glanz des Luxemburger Fußballs in den 50er und 60er Jahren ist heute längst verblichen. Für die deutschen Fußballgiganten gestaltet sich ein Gastspiel in Luxemburg meist als harmonischer Betriebsausflug: 1972 wurde zum letzten mal ein Gegner geschlagen (2:0 gegen die Türkei), und nur selten vermögen die „Letzebürger“ die Spiellaune ihrer Gäste zu trüben.

„Bei uns wird viel gelacht“, teilt der optimistische deutsche Mannschaftskapitän Lothar Matthäus aus dem Vorbereitungslager aus Neu- Isenburg bei Frankfurt mit. Mit ihm kamen seine italienischen Freunde Häßler, Brehme, Klinsmann, Berthold, Völler und Riedle, nachdem sie für ihre Brotgeber flux noch ein Meisterschaftsspiel bestritten hatten. Auch Manfred Binz (Frankfurt), Thomas Helmer (Dortmund), Knut Reinhardt (Leverkusen) und Thomas Strunz (München) dürfen sicher mittun. Wegen Verletzungen daheim bleiben müssen Andy Möller (Wadenbeinprellung) und Stefan Reuter (Muskelfaserriß). Uwe Beins (Frankfurt) Einsatz ist noch fraglich. Dafür wurde der Dortmunder Michael Zorc nachnominiert.

Doch bei allem Frohsinn sollte „Bundes-Berti“ vor allem das Schicksal des Belgiers Walter Meeuws eine Warnung sein. Auch der hatte sich im Oktober des vergangenen Jahres sein offizielles Debut als Belgiens National-Coach sicher ganz anders vorgestellt. Als beim WM-Qualifikationsspiel dem Luxemburger Guy Hellers kurz vor Spielschluß der 1:1-Ausgleich gelang, erzielte er gegen den alten Erzrivalen nicht nur das erste luxemburgische Tor nach 44 Jahren, sondern er sorgte auch für das abrupte Ende einer Trainerkarriere: Kurz nach der nationalen Fußballschmach mußte Meeuws seinen Stuhl wieder für Vorgänger Guy Thijs räumen.

„Wir werden ernster genommen als noch vor drei oder vier Jahren“, konstatiert denn auch Nationalcoach Philipp: „Früher hatten wir uns nur versteckt. Da kam der Ball schneller zurück, als wir ihn nach vorne gedroschen hatten.“ Tatsächlich trägt das allwöchentliche Training (jeden Mittwoch abend) der National-Elf allmählich Früchte. Spielerische Fortschritte sind unübersehbar. Immer häufiger gelingt den Luxemburgern ein Unentschieden oder eine knappe Niederlage — nach einheimischer Sprachregelung ein sogenanntes „positives“ Resultat.

Dennoch plagen Trainer Philipp handfeste Sorgen. Die einheimische Liga im kleinen Luxemburg sei zu schwach, international könne mit nur drei Profi-Legionären nicht allzuviel bewegt werden. Im reichen Luxemburg, wo die Arbeitslosigkeit bei rund einem Prozent liegt, lassen sich hoffnungsvolle Fußballtalente kaum noch für ein Profi-Engagement im Ausland gewinnen: „Die Jungen wollen nicht mehr weg.“ Den Preis des Luxemburger Wohlstands zahlt der Fußball — dem ungewißen Profi- Dasein jenseits der Landesgrenzen zieht der Nachwuchs die sichere Berufskarriere als Lehrer, Krankenpfleger oder Bankangestellter in der Heimat vor.

Aber den Luxemburgern machen nicht nur sportliche Probleme zu schaffen. Die wundersame Vermehrung der U6-U60 Auswahlmannschaften bringt einen kleinen Verband wie die FLF in ständige Geldnöte. Für sechs Mannschaften Reisen, Trainingslager und Ausstattung zu finanzieren, erweist sich oft als mühseliges Unterfangen. Dankbar wird deshalb zugegriffen, wenn ein Textilunternehmen die Einkleidung der National-Elf übernimmt oder ein Lederhaus ein Dutzend Sporttaschen springen läßt. Allzu üppig fließen die Sponsorenspenden allerdings nicht. Verlierer sind als Werbeträger eben kaum gefragt.

BRD: Illgner — Binz — Berthold, Kohler — Strunz, Häßler, Matthäus, Reinhardt, Brehme — Klinsmann, Völler.

Luxemburg: van Rijwick — Petry — Malget, Bossi, Birsens, Groff — Girres, Weis, Hellers, Saibene — Langers.