“...dem Esel in die Ohren“

■ Trendy, flott, trocken: Karl-Josef Krötz, die Weinzunge vom Bremer Ratskeller

hierhin den Mann

im Weinkeller

Karl-Josef Krötz

Er ist eine der anerkannten „Zungen“ Deutschlands: Karl-Josef Krötz, Kellermeister des traditionsreichen Bremer Ratskellers. Fast 4.000 deutsche Weine der 1989er Ernte hat er gerade „verkostet“, um die neue Weinkarte für den Ratskeller mit 600 ausschließlich deutschen Weinen zusammenzustellen.

Krötz ist ganze 33, modisch-leger gekleidet, Weinbauingenieur. Geboren ist er in Neef bei Kochem und „im Wein groß geworden“. Das „Kulturgut Wein“ liegt ihm sehr am Herzen, mit Traditionstümelei hat er nichts am Hut. „Die Italiener präsentieren ihren Wein im weißen Smoking, zwischen bunten Luftbal

lons“, erzählt er, „dahin geht der Trend heute, wenn man auch junge Leute ansprechen will“. Junge Leute für den Ratskeller gewinnen will auch er, gleichzeitig aber den Stolz der Hanseaten auf „ihren“ Ratskeller pflegen. Doch für das eine wie für das andere muß in der Stätte, in der schon Wilhelm Hauff und Heinrich Heine den Weingeist beschworen, nach Krötz‘ Meinung ein

Foto: Sabine Heddinga

neuer Wind wehen, und der ist „trocken“. Spitzenweine aus allen wichtigen Anbaugebieten, aber auch gute preiswerte Weine sollen die Gewölbe unter Bremens guter Stube für Jung und Alt, für große wie kleine Brieftaschen attraktiv machen. „Ich habe schon so manchen Chablis-Trinker mit einem guten Weißburgunder zum deutschen Wein zurückgeholt“, freut sich der jungdynamische Kellermeister. Insgesamt sei der deutsche Wein aber „zu bieder, zu traditionell und zu süß“. Durch gezielte Auswahl will er hier gegensteuern.

Krötz ist ein Freund der „Blindverkostung“. Er will nicht nach Namen einkaufen, sondern nach Qualität. In gleichen Gläsern, bei gleicher Temperatur, die Flaschen verdeckt, „verkostet“ er bis zu 200 Weine an einem Tag. Zuerst kommt die Nase dran. Kräuselt die sich abfällig, gelangt der Wein gar nicht erst bis zur Zunge des Kellermeisters. Bei positivem Riechbefund nimmt er einen Schluck und prüft ihn im Mund, danach wird der Rebsaft ausgespuckt, „höchstens zwei Tropfen gelangen in den Magen.“ Nun ja, bei 200 Proben auch schon ganz schön! Bei Rotwein schafft er übrigens nur die Hälfte, wegen des höheren Alkoholgehalts.

Etwa 400.000 Flaschen Wein lagern in Metallregalen bei konstant 14 Grad Temperatur im Keller vier Meter unter dem Grasmarkt. 1.500 bis 2.000 werden täglich verkauft, teils über den Ratskeller, teils an PrivatkundInnen und Firmen. Vom Eiswein für 95 Mark in der Designerflasche bis zum preiswerten Bocksbeutel ein schier unübersehbares Angebot. Neuerdings hat Krötz auch Ökoweine in seine Palette aufgenommen. Von den 200, die er probiert hat, konnte man 180 „dem Esel in die Ohren schütten“, wie man in seiner Heimat sagt. Doch die, für die er sich entschieden hat, sind nicht nur „öko“, sondern auch gut. Gerne hätte er einen „Vereinigungswein“ aus der DDR in seine Karte aufgenommen, lange hat er „Honny–s Lieblingswein“ nachgespürt, doch der ist weg. Sonst hat noch kein Ossi-Wein Gnade vor seiner Zunge gefunden.

Zum Schluß erlaubt uns der Kellermeister einen Blick ins „Heiligtum“ des Ratskellers, den Apostel-und den Rosenkeller. Hier lagert in Eiche der älteste Faßwein Deutschlands, geerntet im Jahr 1653, kurz nach dem 30jährigen Krieg, damals schon 600 Goldmark wert. Das Finanzamt hat mal mit Zins und Zinseszins einen Wert von einer Million Mark pro Glas errechnet. Davon kosten dürfen nur Größen wie weiland Kaiser Wilhelm oder die Queen. Krötz selbst hat sich ein Pröbchen von der Reliquie bisher versagt: „Ich will mir meine Illusionen nicht rauben lassen.“ asp