BKA schnüffelt in der Stasi-Zentrale

Mahnwache vor der alten Stasi-Zentrale beobachtet nächtliches Treiben/ Beauftragter der Bundesregierung nicht informiert/ Bundesanwaltschaft nennt die Aktion „normale Routinearbeit“  ■ Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) — Wenige Tage vor der heute stattfindenden offiziellen Übergabe des Stasi-Archivs an den Sonderbeauftragten der Bundesregierung, Jochen Gauck, tummelten sich Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes (BKA) unkontrolliert in der früheren Ostberliner Stasi-Zentrale. Die Bundesanwaltschaft (BAW) in Karlsruhe bestätigte am Wochende die Aktion des BKA und sprach von „ganz normaler Routinearbeit“ im Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Ex-Stasi-Chef Erich Mielke und dessen Stellvertreter Gerhard Neiber.

Aufgeflogen war das mysteriöse Treiben durch nächtliche Beobachtungen der seit einem Monat vor dem Gebäudekomplex postierten Mahnwache. Bereits in der Nacht zum Freitag entdeckten Mitglieder dieser Mahnwache in der Ruschestraße Nummer 8, dem Haus des Stasi-Archivs, ein Schild „Bundesarchiv/ Zwischenarchiv“. Es sei irrtümlich angebracht worden, erfuhren sie am folgenden Tag.

Tatsächlich soll die neue, eigenständige Stasi-Akten-Behörde unter Leitung von Jochen Gauck eng mit dem Bundesarchiv kooperieren. Der Präsident des Bundesarchivs ist Gaucks Stellvertreter. In der Nacht zum Samstag dann wunderten sich die Mitglieder der Mahnwache über das hell erleuchtete Bürogebäude im Haus Nr. 8, wo die Stasi-Akten lagern. Sie riefen den Berliner Magistratsbeauftragten zur Auflösung der Stasi, Werner Fischer, herbei. Ihm wurde der Zutritt verweigert. Niemand fand sich bereit, eine erhellende Auskunft über das Licht im Stasi-Archiv zu geben.

Samstag morgen erschien die Polizei. Nach Angaben der Mahnwache überprüften die Beamten nur sechs Personen im Gebäude: Vier zeigten einen ungültigen Volkspolizei-Ausweis vor, zwei bezeichneten sich als Techniker. Einen Dienstauftrag hätten die Sechs nicht vorweisen können. „Die Polizisten“, so heißt es weiter in der Erklärung der Mahnwache, „überprüften nicht, ob Siegel gebrochen wurden.“

Als sich herausstellte, daß Gauck keine Ahnung von den nächtlichen Aktivitäten in der Ruschestraße hatte, war die Verwirrung komplett. Die Mahnwache vermutete eine „Durchsuchung des Stasi-Archivs“. Auf diese Mutmaßung reagierten BKA und BAW mit widersprüchlichen Aussagen. Ein BKA-Sprecher dementierte ausdrücklich eine „Hausdurchsuchung des Stasi-Archivs“. BKA-Mitarbeiter und Kollegen des neuen „Gemeinsamen Landeskriminalamtes“ (GLKA) der fünf neuen Bundesländer würden lediglich gegen Ex-Stasi-Mitarbeiter ermitteln. Der Sprecher der Bundesanwaltschaft, Rolf Hannich, wußte laut 'ap‘ zunächst nichts über eine „Aktion im Stasi-Gebäude“. Gleichwohl würden sich „BKA-Beamte im früheren Ost-Berlin“ im Zusammenhang mit den Ermittlungsverfahren gegen Mielke und Neiber aufhalten. Die entsprechenden Akten hätten den westdeutschen Behörden bereits vor der Vereinigung vorgelegen. Jetzt gehe es um die abschließende Auswertung.

Die Mitglieder der Mahnwache äußerten sich gestern enttäuscht darüber, „daß sich weder Herr Gauck noch Vertreter des Magistrats vor Ort über die Vorgänge in der Stasi- Zentrale informiert haben“. Am Samstag hatte sich ein taz-Bericht bestätigt, wonach Bundesinnenminister Schäuble eigenmächtig festgelegt hat, daß Gauck 951 Mitarbeiter aus dem alten DDR-Innenministerium zu übernehmen hat.