Dingklirreling

■ Spezialist aus Meissen erneuert Böttcherstraßen-Glockenspiel

„Auf Matrosen, die Anker gelichtet“ werden die TouristInnen in der Böttcherstraße nun nicht mehr hören können. Für 250.000 bis 300.000 Mark wird das Glockenspiel in Bremens Touristenvorzeigegasse jetzt ausgetauscht. Danach wird zwar alles wieder so aussehen wie zuvor, aber die traditionsreichen (wenn auch schon etwas verstimmten) Melodien von Wellen, Wind und Waterkant werden ersetzt durch neue Melodien, die vorerst noch streng geheim sind.

Die ganze Aktion ist bei Diplomingenieur Klaus Ferner aus der DDR in den besten Händen. Mit Vollbart, breitestem Sächsisch, profunden Kenntnissen über die Historie des Porzellanglockenspiels und zwei Gesellen ist er direkt aus Meissen angereist. Im Gepäck haben die drei Spezialisten 30 neue Porzellanglocken und eine neue Mechanik für das Glockenspiel und den Drehturm mit den zehn Bildtafeln berühmter Ozeanüberquerer zu Wasser und zu Luft.

Der Meister mit dem Rauschebart gibt bereitwillig Auskunft über die Geschichte des Glockenspiels von August dem Starken bis heute. Schon seit 1934 läutet Meissener Porzellan in der Böttcherstraße. Damit besitzt Bremen nach Meissen das zweitälteste Porzellanglockenspiel der Welt.

Die Urfassung (außen blau, innen gold) wurde allerdings im Krieg zerstört. Die Nachkriegsglocken von 1954 klangen mittlerweile derartig schräg, daß eine Totalsanierung nötig wurde. „Schon in den eisigsten Altzeiten“, so der Meister, nahm Böttcherstraßengeschäftsführer Tallasch Kontakt zu der Meissener Firma auf, bei der Ferner arbeitet. Diese liegt in direkter Nachbarschaft zur ehemals königlich- preußischen Porzellanmanufaktur, woraus eine jahrzehntelange Zusammenarbeit im Bau von Glockenspielen erwuchs. Diese sei bei der speziellen Technik von Porzellanglockenspielen auch geraten, erklärt Ferner.

Anschaulich beschreibt er, wie die fertigen Glocken in fünf Grundgrößen durch Verkürzen mit einer Diamantscheibe gestimmt werden, „in chromatischen Halbtonschritten über zweieinhalb Oktaven“. Dann werden alle Glocken aufeinander abgestimmt.

Nur spezielle Liedbearbeitungen kommen für das Kunstwerk in Frage, weshalb Meister Ferner auch eng mit einem Dresdener Musikdozenten zusammenarbeitet. Die neue Liedfolge, die beide ausgetüftelt haben, wird nur sechs, statt, wie bisher, zwölf Minuten lang sein. „Heute hat doch keiner mehr Zeit, sich so lange da hinzustellen“, meint Tallasch.

Was mit den ausrangierten Glocken passieren soll, frage ich Tallasch (und hätte am liebsten gleich eine mitgenommen). Der lacht: „Norbert Kentrup hat schon angeboten, sie am Tag der Neueinweihung des Glockenspiels zu versteigern. Der Erlös könnte dann an eine wohltätige Einrichtung gehen.“

Aber der Vorschlag überzeugt Tallasch noch nicht so ganz. Dann würde er das alte Glockenspiel lieber komplett einer DDR-Gemeinde vermachen. „Aber vorerst bleiben die Glocken hier“.

Etwa 14 Tage sollen die Arbeiten noch dauern. Am 13. oder 20. Oktober soll die Einweihung sein. Eine spannende Aufgabe für Ferner und seine Crew, „aber am Wochenende fochen wir heim in unser scheenes Sachsen“, freut sich Ferner.

asp