Hertha wird Meister - wer sonst?

■ Eine Analyse der heutigen Bundesligapremiere von Hertha BSC

West-Berlin. Ja, ja, ja, endlich, prima, super, affengeil und bockstark, es ist soweit; liebste Fußballangehängte, treues Lesepublikum, wenn Ihr dieses Blatt zitternd in den Händen haltet, sind es nur noch wenige Stunden bis zum langersehnten Fußball-Bundesliga-Start in Berlin. Und als Bonbon gleich zu Beginn das Sportereignis des Jahres, der absolute Mega-Knaller: Hertha BSC gegen die Wundermannschaft vom Millerntor, den FC St. Pauli. Genau rechtzeitig und zur Einstimmung wird daher jetzt die nächste Sensation geboten: die objektive Begründung, warum Hertha einfach Meister werden muß.

Sicherlich erscheint dies als eine allzu kühne These, doch der Wahrheit soll man nicht ausweichen, und ist sie noch so schwer zu ertragen von den Hoeneß-Bros. in Schwaben und Bayern, den Giftmischern vom Rhein und allen anderen, die gerne Erster werden würden; aber das deren Problem. Halt, halt, bevor sich jetzt Hohn und Spott bilden, man muß offen dazu stehen, wie es so schön heißt, und endlich den ganzen halbherzigen, zaghaften Quatsch vergessen, der in den letzten Tagen über die Chancen von Hertha in der ersten Liga verbraten wurde. Schluß mit dem Spekulieren, zack, boing, aus. Wer hätte gedacht, daß ein Hühnerhaufen mit dem Namen Hertha BSC im letzten Jahr nur knapp dem Zweitliga-Abstieg entrinnt und dieses Jahr locker aufsteigt? Nur Frau Volksholz und Professor Dingenskirchen, also fast niemand. Was spricht dagegen, daß es dieses Mal nicht genau so geht? Nichts! Was dafür? Eine Menge!

Beginnen wir im unverfänglichen sportlichen Bereich. Trainer Werner Fuchs ist wirklich ein selbiger. In der Tat stellt er seine Mannschaft auf eine seltsame Art und Weise zusammen. Auf der einen Seite holt er laufend psychisch demolierte Fußballrentner nach Berlin, die mal gut waren, aber jetzt blind sind, und baut sie wieder auf. Walterchen Junghans, in Bayern und auf Schalke wegen Fliegenfängerei gefeuert, war in über der Hälfte der Rückrunde ohne Gegentor, Patzkes Wolfgang liefert mit 31 Jahren plötzlich wieder geniale Spielideen, und Theo Gries schießt wieder Tore. Nicht zu vergessen Uwe Rahn...

Auf der anderen Seite setzt Trainer Fuchs auf seinen behutsam gehegten Kindergarten. Die frisch in der Matura gereiften Kretschmer und Zernicke retteten mit ihren Toren Hertha zuerst vor dem Abstieg und halfen anschließend fleißig beim Aufsteigen mit, ebenso wie die nur wenig älteren Fredi Klaus und Axel Kruse. Und am nötigen Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten fehlt es der ganzen Mannschaft nicht, obwohl die bisherigen Vorbereitungsleistungen dies eher erschweren sollten. Aber die schlappen Spiele gegen Kassel und Chemnitz gaben sicher genügend Anstoß zum Nachdenken...

Als letztes: allgemeine Lage und Stimmung. Die so vielstrapazierte Grenze ist es, die den nächsten Schub zur Meisterschaft gibt. Ganz Mecklen-, sogar Brandenburg giert nach ersten Fußball-Bundesliga. Bei so einem Hinterwald werden logischerweise euphorische Massen ins Olympiastadion drängen. Der Clou an der ganzen Geschichte kommt erst jetzt.

Weil, Herthas Aufstieg ist ein Politikum, zu diesem Zeitpunkt, sogar ein Sportpolitikum. Und da wäre es doch, sport- und gesamtpolitisch gesehen, ein feiner und sinnvoller Zug, wenn eine dann Gesamtberliner Mannschaft Fußballmeister wird, gerade wegen der besonderen Zusammenwuchsbedeutung der Stadt. Na ja, vielleicht kommt's ja Herrn Kohl, de Maizere, Momper, Neuberger oder Mayer -Vordingens im Alleingang - in den Sinn, im Zuge der schnelleren Vereinigung die Saison vorzeitig abzubrechen, also den Termin vorzuverlegen, mit der Meisterkür, vielleicht zufällig, wenn Hertha gerade Erster ist, vielleicht grad am 14. Oktober, wenn Hertha sicher den HSV weggeputzt haben wird, vielleicht sollte der Meister diesmal gewählt werden...

Nik de Schmiersehre