Duisburger „Busineßpark“ auf der Krötenpiste

■ Vergeblich kämpft eine Bürgerinitiative in der Krupp-Stadt Rheinhausen für den Erhalt einer Bruchlandschaft am Rhein

Aus Duisburg B.Markmeyer

Als eine von denen, die in Rheinhausen Arbeitsplätze kaputtmachen, lasse sie sich nicht beschimpfen, wehrt sich Christel Wiemer-Kaisers von der Bürgerinitiative Essenberger Bruch. Und trotziger als die sachliche Art der engagierten Mittdreißigerin vermuten läßt, setzt sie hinzu: „Krupp hat hier die Arbeitsplätze vernichtet, nicht wir!“ Daraufhin entrutscht dem „Kruppianer“ Theo Steegmann ein „borniert“. Klar, Krupp wollte das Stahlwerk in Duisburg-Rheinhausen dichtmachen. Und alle gemeinsam, auch die, die sich jetzt am Tisch im Rheinhauser Bürgertreff „Hütte“ so uneins gegenübersitzen, haben dagegen gekämpft. Aber jetzt geht es um neue Arbeitsplätze für den Duisburger Stadtteil am Rhein.

„Und da kann man nicht einfach sagen“, formuliert Steegmann seine Position, „den Gewerbepark wollen wir, die Arbeitsplätze auch, aber nicht im Essenberger Bruch. Wir reden hier vor dem Hintergrund, daß Unternehmen sich im Ruhrgebiet immer noch aussuchen können, wo sie sich ansiedeln. Die stellen die Bedingungen, das muß man sich auch politisch mal klarmachen.“ Theo Steegmann, zweiter Betriebsratsvorsitzender im Krupp-Werk Rheinhausen, hat UmweltschützerInnen und Betriebsräte an einen Tisch geholt. Er hält es für einen enormen Fortschritt, wenn man „einander wenigstens zuhört“. Denn wo sonst könnten es UmweltschützerInnen schwerer haben als im kampferfahrenen Duisburg-Rheinhausen, wenn sie sich wegen einiger Tiere und Pflanzen und frischerer Luft gegen neue Betriebe - und damit gegen neue Arbeitsplätze - wenden?.

Eine kleine Gruppe Öko-AktivistInnen, unterstützt vom BUND und den örtlichen Grünen, macht Front gegen ein geplantes Gewerbegebiet in einer ehemaligen Bruchlandschaft am Rhein in Duisburg-Asterlagen. Dort, im Essenberger Bruch, sagen sie, liegen die letzten der ehemals zahlreichen Laichplätze für Amphibien. Auch andere Tiere und selten gewordene Pflanzen finden hier Schutz.

Vor allem aber funktioniert das im Duisburger Westen gelegene Bruch als Frischluftschneise für die Innenstadt. Nach Osten abziehende Flurwinde quirlen bei entsprechender Wetterlage den Industriemief durch. Dieser Bedeutung wegen hatte auch das NRW-Umweltministerium bis vor eineinhalb Jahren das Bruch zur Tabuzone für Gewerbeansiedlungen erklärt. Und selbst die Stadt Duisburg verfügte über Gutachten, die dem frischen Wind für die Innenstadt Vorrang vor jeder Bebauung einräumten.

Dies alles, kritisieren die UmweltschützerInnen, sei nun bedeutungslos geworden. Aufgescheucht durch eine einseitige Arbeitsplatzdiskussion, erschließe die Stadt willfährig und in Windeseile zukünftigen Investoren bisher geschontes Gebiet. Am schwersten wiege, daß sinnvolle Alternativen wie Industriebrachen oder zuvor anderweitig genutzte Flächen vernachlässigt würden.

Von dem ca. 250 Hektar großen Krupp-Gelände beispielsweise werde nur noch ein kleiner Teil für den vor kurzem beschlossenen Weiterbetrieb des einen Hochofens benötigt. Krupp halte ansiedlungsreife Flächen zurück. Weitere Flächen, auf denen zunächst Altlasten beseitigt werden müssen, stünden schon bald zur Verfügung. Daß in Rheinhausen wieder investiert werden muß, ist auch für die UmweltschützerInnen keine Frage.

Doch sie protestieren ausgerechnet gegen ein Projekt, das schon vor dem ersten Spatenstich wie ein Synonym für Strukturwandel in Duisburg steht: gegen den „Busineßpark Niederrhein“, gleichermaßen bejubelt von SPD, CDU und DGB, von der Stadtverwaltung bis zur Landesregierung, von Wirtschaftsförderern und dem „Initiativkreis Ruhrgebiet“ gefeiert als „Meilenstein“ auf dem Weg nach „Duisburg 2000“. Auf einem 40 Hektar großen Gelände sollen in Asterlagen saubere, leise, zukunftsorientierte und krisensichere High -Tech- und Dienstleistungsbetriebe arbeiten, umgeben von postmoderner Teichromantik und Alleegrün. So grünes Gewerbe hat man in Duisburg noch nicht gesehen. Nur etwa die Hälfte der Fläche wird bebaut, die andere Hälfte soll als „landschaftliches Ambiente“ (Werbung) etwa 800-1.000 Beschäftigte selbstverständlich renommierter Firmen zu profitablen Höchstleistungen motivieren.

Die von der Deutschen Bank finanzierte Planung und Vermarktung des Projekts hat eine Tochtergesellschaft der Bank, die Deutsche Projektentwicklungsgesellschaft für Grundvermögen (DPE), übernommen. Noch sind keine Verträge abgeschlossen, doch die Stadt Duisburg versichert, Investoren aus dem In- und Ausland stünden bereits Schlange. Durchaus glaubhaft, denn in unmittelbarer Nähe zu Autobahn und Hafen, unweit des Düsseldorfer Flughafens und „mitten in Europa“ (Werbung), gleich günstig zum Ruhrgebiet wie zum Köln-Bonner-Raum gelegen, hat sich die Deutsche Bank die beste Fläche Duisburgs ausgesucht. Noch unter Alfred Herrhausen wurde der „Busineßpark“ zu einem Projekt des einflußreichen Initiativkreises Ruhrgebiet erklärt. Damit ist allen Beteiligten der Erfolg garantiert, Oberstadtdirektor Richard Klein schwärmt: „Ein Glücksfall für Duisburg und die Region.“ Krupp-Betriebsrat Steegmann bewertet das Herrhausen-Engagement als „eine Folge unseres Arbeitskampfes“. Christel Wiemer-Kaisers ist anderer Meinung: „Wir unterwerfen uns den Unternehmen, die sich im Grünen ansiedeln wollen.“ Wohnen dürfe man im Ruhrgebiet neben stinkenden Schloten, aber für neue Betriebe und die vielbeschworene High-Tech-Zukunft müßten die letzten freien Flächen herhalten.

Erst zum Jahreswechsel 1988/89 verkaufte Krupp sein jahrzehntelang kaum genutztes Gelände im Essenberger Bruch an die Stadt. Der Betrieb hatte auf einem Teil der Fläche schwermetallhaltige Hochofenschlacke abgekippt. Die muß nun vor dem Bau des „Busineßparks“ wenigstens teilweise weggebaggert werden.

90 Prozent der Kosten für Ankauf und Erschließung trägt das Land, den Rest die Stadt Duisburg. Die zukünftigen Investoren in Asterlagen kassieren zusätzliche Subventionen vom Land für jeden neuen Arbeitsplatz. Und Krupp kassiert mit: Nachdem die ehemals betriebseigene Fläche mit öffentlichen Geldern saniert worden ist, will sich auch die Krupp High-Tech-Firma Atlas Elektronik in Asterlagen ansiedeln.

Diese Art von Strukturwandel sei, so Jürgen Beckerts von der Bürgerinitiative, „Politik von vorgestern“: Arbeitsplätze um jeden Preis und auf Kosten der Lebensqualität im Revier. Daß sie am liebsten eine Renaturierung der wertvollen Reste der durch Autobahn, Chemiebetrieb und Siedlungen schon weitgehend zerstörten Bruchlandschaft hätten, trauen sich UmweltschützerInnen nicht mehr zu sagen. Sie stehen auf verlorenem Posten mit ihrem Einsatz für das Essenberger Bruch, in dem die meisten RheinhausenerInnen ohnehin nur noch eine unnütze Birken- und Gestrüpp-Wildnis sehen.

„So wie es jetzt dort aussieht, ist für viele der Gewerbepark mit dem Grünzeug sogar eine Bereicherung“, meint Theo Steegmann, „ich kann das sowieso keinem Kruppianer erklären, daß wir wegen frischer Luft und dieser Schlacke -Landschaft auf ein grünes Gewerbegebiet mit 1.000 Arbeitsplätzen verzichten sollen.“