Sirius problems

■ Über Ufos, die ihre Kreise ziehen, und die Schwierigkeit, Außerirdisches anzunehmen

Von Mathias Bröckers „Die Raupe kann den Schmetterling nich

verstehen.

Timothy Leary, Folsom-Gefängnis,

Juli 1973

Haben Sie die Kreise im Kornfeld gesehen? Im Fernsehen, im 'New Scientist‘ oder in dem (nach sechs Auflagen längst nicht mehr heimlichen) Bestseller bei 2001? Die beiden Ingenieure Pat Delgado und Colin Andrews, die den merkwürdigen Spiralmustern und neuerdings auch Figuren nachgehen, haben in diesem Sommer etwas ganz Erstaunliches entdeckt: Die ohne äußere Verletzung gedrückten und gebogenen Kornhalme weisen eine veränderte Molekularstruktur auf. Wenn dies noch ein Studentenulk sein soll, wie unser Alltagsverstand es gerne hätte, dann haben wir es fraglos mit dem gigantischsten Jux der Geschichte zu tun kreisrunde, bis zu dreißig Meter große Phänomene, wie sie aus England zahlreich dokumentiert sind, werden auch aus ganz anderen Erdgegenden, aus Brasilien, Nordamerika und Australien, gemeldet. Alle physikalischen Erklärungsversuche für das Zustandekommen der kompliziert verwirbelten Kreismuster haben bisher zu keinem Ergebnis geführt.

„Was immer es auch sein und wie immer es zustande kommen mag“, resümierten Delgado/Andrews ihrem Bericht, „es sieht so aus, als würde es intelligent gesteuert.“ (taz vom 9.2.) In diesem Sommer, nachdem in Südengland nicht nur Kreise und Ringe, sondern auch Rechtecke, Ellipsen und nichtgeometrische Figuren aufgetaucht sind, gehen die beiden Forscher ein Stück weiter, sie sehen die „crop circles“ als Zeichen einer unbekannten Intelligenz, die uns ermahnen, „nicht in so zerstörerischer Art mit unserem Planeten umzugehen.“

Als ich in einem ZDF-Bericht über die kreisrunde Evidenz diese Stellungnahme hörte, läuteten die klerikalen Alarmglocken - irgendwie klang das wie die Frohbotschaften weißgewandeter UFO-Sekten, deren Gläubige mit diversen Raumflottenkommandos in medialem Kontakt stehen und die Nachrichten der Sternenbrüder in die einschlägigen Gazetten „channeln“. Verquast religiöser Kosmo-Kitsch, der meist mit frommen Ermahnungen wie obiger endet und keinesfalls auf höhere Intelligenz schließen läßt. („Alle Untertassen im Schrank?“, taz 1.11.89)

Andererseits: Was sollte uns ein außerirdischer Besucher für einen guten Rat hinterlassen, wenn nicht eben den: nicht in derart zerstörerischer Art mit unserem Planeten umzugehen? Delgado/Andrews können mit ihrer Lesart deshalb recht haben, ohne gleich als Spinner zu gelten - in ihrem unspekulativen, betont sachlichen Buch (im August erscheint eine erweiterte Auflage) ist von Außerirdischen an keiner Stelle die Rede. Dokumentiert freilich werden Berichte von Anwohnern, die mehrfach helle Lichterketten am Himmel beobachteten, wie etwa Mary Freeman aus Marlborough in Wiltshire. Am 14.Juli 1988 sah sie aus ihrem Auto abends um elf in der Nähe des prähistorischen Monuments Silbury Hill ein großes scheibenförmiges Objekt am Himmel strahlen - tags darauf wurde dort eine Kreisformation entdeckt.

Steine vom Himmel und Sir Karl im Kornfeld

Eine Konferenz in Oxford im Frühjahr dieses Jahres brachte keine Lösung des Rätsels, die Zahl der Erklärungen entsprach in etwa der der Referate. Bis zum Sommer 1989 waren 250 Kreise dokumentiert, mittlerweile sind es über 300, doch ob der Geldpreis ausreicht, den die Arthur-Koestler-Stiftung für die Entdeckung der Ursache ausgesetzt hat, darf bezweifelt werden. „Viele Behörden“, so Delgado/Andrews, „behandeln diese Kreise ebenso wie Ufos: Sie leugnen entweder offen ihren rätselhaften Charakter, oder sie zeigen keinerlei Interesse.“ Im Unterschied zu den flüchtigen Objekten am Himmel, die wegen ihrer Nichtwiederholbarkeit für den wissenschaftlichen Rationalismus nicht existent sind - wenn, wie unlängst aus Belgien gemeldet, 3.000 Zuschauer einen 50-70 Meter großen Flugkörper über einem Fußballstadion sehen, gibt es zwar Spielabbruch, doch der beschäftigt dann nur noch den Fußballverband, nicht aber sämtliche Universitäten -, im Unterschied zu Tausenden von Ufo-Sichtungen also liegen die Kreise im Kornfeld vor aller Augen.

Und doch scheint es ihnen ähnlich zu gehen wie den Meteoriten im 18.Jahrhundert: „Das Fallen von Steinen vom Himmel ist physikalisch unmöglich“ hieß es 1772 in einer auch von dem berühmten Chemiker Lavoisier unterzeichneten Denkschrift der Pariser Akademie der Wissenschaften. Als Stadtrat und Bürgermeister im südfranzösischen Barbotan 1790 den Niedergang eines Meteoriten protokollierten, beklagte ein Naturwissenschaftler, „daß der ganze Magistrat in einem amtlichen Dokument Ammenmärchen aufzeichnet und als etwas tatsächlich Geschehenes darstellt, wo doch selbige sich weder durch die Physik, noch auf irgendeine andere Weise erklären lassen“.

Es dauerte hundert Jahre, bis Meteoriten als wissenschaftliches Objekt ernstgenommen wurden. Arthur Koestler zitiert die Wissenschaftsgeschichte der fliegenden Steine als Hinweis auf den Mißkredit, in dem die Beschäftigung mit fliegenden Untertassen steht: „Man kann sich unschwer vorstellen, daß Meteoriten für die Menschen des 18. Jahrhunderts nicht leichter zu schlucken waren als Ufos für uns. Daher auch das gleiche Gezänk.“ In Der Mensch - Irrläufer der Evolution (Fischer TB) hat sich Koestler mit dem Ufo-Tabu und den staatlichen Desinformationskampagnen auseinandergesetzt - und für das „Festival der Absurdität“ plädiert, das mit der Akzeptanz des Außerirdischen unweigerlich Einzug hält: „Wir müssen immer damit rechnen, an den Grenzen der Wissenschaft - ob bei außersinnlicher Wahrnehmung, bei der Quantenphysik oder der Ufologie - auf Phänomene zu stoßen, die uns paradox und absurd erscheinen.“

Wenn Sir Karl Popper die kreisrunden Paradoxa vor seiner Haustür durch ein paar Nachtwachen im Kornfeld falsifizieren könnte - das beschränkte Lebenswerk des Philosophen erführe völlig unerwartet eine Krönung. So aber, und weil geringeren akademischen Autoritäten bei der Beschäftigung mit Ufos Karriereabsturz droht, Exkommunikation aus der „scientific community“, bleibt die Wahrheitsfindung Privatforschern überlassen und unerschrockenen Grenzgängern vom Schlage eines Arthur Koestler.

Die Absurdität der Kornkreise hat indessen eine Dimension erreicht, an der die wissenschaftliche Gemeinde immer schwerer vorbeikommt: Mit der wachsenden Zahl der Zeichen in Südengland wurde ein Muster erkennbar, die Kreise bilden ein gleichschenkliges, 20 Kilometer langes Dreieck, das den berühmtesten aller rätselhaften Kreise einschließt, das prähistorische Monument von Stonehenge.

„Wenn die parapsychologischen und außerirdischen Erscheinungen wahr oder auch nur plausibel wären, müßte man sich ihnen gänzlich, ohne einen Augenblick zu verlieren, widmen“, heißt es bei Jean Baudrillard. Der skeptische Simulationstheoretiker kommt mit seinem Realismus-Dogma freilich über das Niveau seiner Pariser Kollegen von 1772 nicht hinaus - denn was heißt schon „plausibel“? Vergangenes Jahr habe ich mir die Mühe gemacht, einen ganzen Stapel Taschenbücher zu lesen - alle verfaßt von dem Schweizer Hobbyarchäologen Erich v. Däniken, dem bekanntlich an dem Nachweis gelegen ist, daß die Götter Astronauten waren. Selbst wenn 95 Prozent der beigebrachten Belege für die intelligenz- und kulturstiftende Tätigkeit außerirdischer Besucher, die Däniken aus Mythen, Schrifttafeln und Bauwerken wie dem „Monumentalparkplatz“ Stonehenge zieht, sich als Irrtum, Fehlinterpretation oder Fälschung erweisen würden (wie seine Gegner es anhand einiger Fälle vorführten) - der verbliebene Rest wäre allemal plausibel genug, „keinen Augenblick zu verlieren“.

führten) - der verbliebene Rest wäre allemal plausibel genug, „keinen Augenblick zu verlieren“.

Schließlich ist die Frage nach der Enstehung von Leben, Intelligenz, Religion und Kultur heute weniger denn je beantwortet, Chaos und Kataklysmen haben die Vorstellung eines „Uhrwerks Evolution“ nachhaltig erschüttert. Doch geht eher die ganze akademische Kamelherde durch ein Nadelöhr, als daß Ufos in wissenschaftlichen Seminaren und Labors landen - Däniken & Co. gelten weiterhin als Phantasten, ihr Fachgebiet als ein Genre der Yellow Press.

Dogon: Die Sirius-Connection

Als im Jahr 1950 die Ethnologen Marcel Griaule und Germain Dieterlen ihre Forschungsergebnisse über die Mythologie der Dogon, eines Wüstenvolks im heutigen Mali, veröffentlichten, wußten sie nicht, daß sie eine Sensation publizierten: „Ausgangspunkt der Schöpfung ist der als 'Digitaria‘ bezeichnete Sirius-Begleiter, der den Sirius umkreist. Die Dogon betrachten ihn als kleinsten und schwersten aller Sterne. Er enthält die Keime aller Dinge. Seine Bewegung um seine eigene Achse und rings um den Sirius garantiert das Fortwirken schöpferischer Kräfte im Weltraum.“ Daß Sirius als nächster (8,6 Lichtjahre) und hellster Fixstern am Himmel im Dogon-Mythos eine Rolle spielte, schien nicht weiter überraschend, auch für die alten Ägypter, die ihn Sothis nannten, war Sirius der Kalenderstern. Keine Frage aber verwandten die astronomisch laienhaften Afrika-Forscher darauf, ob ein solcher Begleiter des Sirius überhaupt existiert - sie waren nur erstaunt über die detaillierten Himmelskenntnisse der Dogon und darüber, „wie Menschen ohne astronomische Instrumente über Bewegungen und Eigenschaften von Himmelskörpern Bescheid wissen konnten, die kaum sichtbar sind“.

Tatsächlich existiert ein Begleiter des Sirius, aber er ist nicht nur „kaum sichtbar“, er ist völlig unsichtbar. Erst Ende des vergangenen Jahrhunderts wurde die Existenz von „SiriusB“ aus der Bewegung des Sirius-Hauptsterns überhaupt erschlossen und mit einem starken Fernrohr beobachtet, die erste astronomische Aufnahme des kosmischen Winzlings gelang 1970. Die Dogon kennen nicht nur diesen Stern seit Menschengedenken, sondern auch die Dauer seines Umlaufs um Sirius A (genau 50 Jahre) und seine nicht runde, sondern „eiförmige“ Bahn. Zudem wissen sie, was zu den allerneuesten Errungenschaften der Astrophysik zählt: daß es sich bei Sirius B um einen sogenannten „Weißen Zwerg“ handelt, das lichtschwache, von extremer Gravitation zusammengedrückte Endprodukt eines ehemaligen Himmelskörpers - den „kleinsten und schwersten aller Sterne“.

Wie kommt ein Naturvolk in der Wüste von Mali an ein derartiges Wissen? Die Dogon-Priester berichteten den Ethnologen, daß sie dieses Wissen und ihre gesamte Kultur den „Nommos“ (den „Mahnern“ oder „Unterweisern“) verdanken, amphibischen Wesen, die in einer drehenden und wirbelnden Arche vom Himmel gekommen seien - von einem Planeten, für den Sirius A und Sirius B eine „Doppelsonne“ darstellten. Dieser Planet, dessen Größe und Bahn den Dogon bekannt ist, wurde bis heute nicht gesichtet - Zweifel sind deshalb angebracht, aber auch Zuversicht: Schließlich wußten sie schon lange von Sirius B, als bei uns noch niemand etwas ahnte.

Zweifel hatte auch der Sanskrit-Forscher und Orientalist Robert K.G. Temple, als er 1976 in London The Sirius Mystery veröffentlichte: nicht an der Echtheit des völlig unverdächtigen Berichts der Ethnologen Griaule/Dieterlen und auch nicht an den amphibischen Kulturbringern, auf die er auch in babylonischen und ägyptischen Mythen gestoßen war. Er hatte vielmehr Angst, sich als Ufo-Obskurantist unmöglich zu machen. Doch das Gegenteil geschah: „Es wird schwerfallen, Temples Argumente zu zerpflücken“, schrieb die ehrwürdige 'Times‘ und behielt bis heute recht, für sein Buch (deutsch 1977 im Umschau-Verlag - Das Sirius-Rätsel - später als Taschenbuch, beide leider vergriffen) wurde der Autor zum Mitglied der „Royal Astronomical Society“ ernannt. Das Sirius-Mystery ist nach wie vor serious... wie u.a. auch bei Doris Lessing (The Sirian Experiments, London 1982) nachzulesen ist.

Ist Gott eine Droge, oder haben wir sie nur falsch verstanden?

„Jede weit genug entwickelte Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.“ Der Schriftsteller Robert Anton Wilson hat diesem Gesetz von Arthur C. Clarke noch einen Absatz hinzugefügt: „Jede genügend fortgeschrittene Parapsychologie ist noch viel weniger von Magie zu unterscheiden.“ Als Wilson im März 1976 im 'San Francisco Chronicle‘ in einer Rezension des eben erschienenen Buchs vom Temple von vorzeitlichen Besuchern aus dem System des Sirius las, war er „völlig perplex“ - hier behauptete ein angesehener Astronom, daß ein Geschehen real und materiell stattgefunden habe, das er auf einer ganz anderen, nämlich parapsychologisch-halluzinatorischen Ebene vermutete: Wilson, der mit Yoga und anderen Bewußtseinstechniken experimentierte, bildete sich ein, erstmals am 23. Juli 1973 - dem Tag, an dem sich Sirius und Erde am nächsten sind und danach mehrfach bis Oktober 1974 telepathische Nachrichten von Wesen von einem Planeten des Sirius empfangen zu haben.

Er hatte mit Halluzinationsexperten, Psychologen und Ufo -Forschern darüber gesprochen und interpretierte das Außerirdische eher als innerpsychische Angelegenheit und Kontakterlebnisse als Manifestation einer interstellaren telepathischen Kommunikation, die das kollektive Unbewußte in diesem Jahrhundert eben mit Ufo-Metaphern ausschmückt, während es früher Marienerscheinungen oder Tiergottheiten waren. „Wenn ein Verkäufer in West-Virginia und ein Student in West-Virginia die gleiche 'Halluzination‘ miteinander teilen können - beide wurden in einem Ufo schneller als das Licht zu einem Planeten namens Lanalus entführt, wo alle nackt herumlaufen -, dann könnte es sich bei diesem Schulbeispiel möglicherweise um eine interstellare Mitteilung handeln.“

Diese Vermutung verstärkte sich bei Wilson, als er auf Zeugen stieß, die ebenfalls von merkwürdigen Sirius -Übertragungen berichten: In den Werken des Mystikers und Sex & Drugs-Pioniers Aleister Crowley, der sich auf Eingebungen vom „Hundsstern“ (Sirius) beruft, und im Staatsgefängnis von Folsom. Dort saß Dr.Timothy Leary wegen des Besitzes von eineinhalb Joints zu elf Jahren verurteilt - und behauptete steif und fest, seine „Starseed -Theorie“ sei ihm vom Doppelgestirn Sirius in einer Art telepathischem Flash übertragen worden, und zwar beginnend mit den Hundstagen am 23. Juli. Nach dieser Theorie bildet sich durch überall im Kosmos verbreitete Sporen, Sternensamen, bei geeignetem Klima Leben und ermöglicht den Bewohnern durch die bewußtseinserweiternden Eigenschaften bestimmter Pflanzen den Anschluß an die Dimension kosmischer Intelligenz: „Leben entstand auf eurem Planeten vor Milliarden von Jahren durch Nukleotidenstränge, welche den Bauplan der stufenweisen Evolution in einer Folge biomechanischer Stufen enthielten. Das Ziel der Evolution besteht darin, Nervensysteme zu entwickeln, die fähig sind, mit dem galaktischen Netzwerk zu kommunizieren und zu uns, euren interstellaren Eltern, heimzukehren.“

Es ist vielleicht nicht unwichtig, daß Leary, wenige Tage bevor er diese Übertragungen/Halluzinationen niederschrieb (in vier Monaten Einzelhaft entstand das Buch Neurologik), vom Regierungspsychiater ein guter Gesundheitszustand und ein hoher IQ bescheinigt wurden. Und daß es kurz darauf in Frankreich erneut einschlug: Anhand eines bei Orgeuil niedergegangenen Meteoriten wurde der erste Beweis erbracht, daß der Mechanismus der chemischen Intelligenz - das Bauen von Lebensprogrammen (RNS) aus Informationscodes (DNS) - auch anderswo im Universum existiert.

„Ufos sind Medien“

Während ich diese Sirius-Connection in Robert Wilsons Cosmic Trigger (Rowohlt TB 5649) nachlese, kommen Zeitungen und die Post. Unter „Neues aus aller Welt“ die Meldung, daß in Belgien (schon wieder) ein Ufo gesichtet worden ist - zwei zur Verfolgung ausgeschickte Militärpiloten berichten von mit irdischem Gerät unmöglichen Flugbewegungen und plötzlichem Verschwinden des Objekts. Das übliche also - und die Frage, ob es sich hier wirklich um ein „Objekt“ handelt oder ob nicht die zwei Piloten, wie die 3.000 Fußballzuschauer, einfach dieselbe Halluzination teilen, durch einen wie auch immer bewerkstelligten Anschluß an den interstellaren Telepathiekanal, auf dem sie dann Untertassen und kleine graue Männchen sehen.

Dieser Version widersprechen zahlreiche Ufo-Kontaktierte zuletzt eindrucksvoll das biedere Architektenehepaar Ed und Frances Walter, die anhand von 130 Zeugen aus ihrer Gemeinde Gulf Breeze (Florida), zahlreicher (sehr schwer zu fälschender) Polaroidfotos und einer sehr glaubhaften Geschichte die Existenz leibhaftiger Raumschiffe bestätigen (E. und F. Walters: Ufos: Es gibt sie!, Droemer Knaur).

Außerdem wurde auf einer Ufo-Konferenz Ende Juni in München eine Aufzeichnung des amerikanischen CBS-Fernsehens gezeigt, in der ein Geheimnisträger der US-Regierung folgendes zu Protokoll gab: In einem Luftwaffenstützpunkt in New Mexico sei ein Außerirdischer derzeit in Gewahrsam und dafür ein US -Offizier schon seit einiger Zeit auf einem interstellaren Raumschiff unterwegs. Im Anschluß an die Aussage des (unkenntlich gemachten) Mannes trat der Nachrichtendirektor persönlich auf und verbürgte sich für die Identität des Beamten. Wer das Buch der Walters, die ebenfalls in diesem Film auftraten, gelesen hat, wird solche Nachrichten zwar immer noch haarsträubend finden, kann sie leider aber nicht mehr selbstverständlich in Zweifel ziehen...

Ufos also einerseits als grobstoffliche, hochtechnisierte Flugzeuge von anderen Sternen, andererseits als immaterielle Überflieger einer höheren Bewußtseinsdimension, oder - und das könnte die komplexen Verwirrungen des Themas erklären beides zusammen? Sicher nicht zufällig (aber bis heute ziemlich umsonst) haben sich die zwei hervorragendsten Schüler Freuds - Wilhelm Reich und C.G. Jung - intensiv mit den Untertassen beschäftigt. Während Jung (Ein moderner Mythus - Von Dingen, die am Himmel gesehen werden, 1958) sie als moderne Variante archetypischer, vom Unbewußten projezierter Bilder zu verstehen suchte, forschte Reich in eine ganz andere Richtung. Bei seinen Experimenten mit „Orgon-Energie“, (in der er den kosmischen Treibstoff allen Lebens gefunden zu haben glaubte) erschienen ihm Ufos (Reich nannte sie „EAs“ - „Energie Alpha-Primordial“) eher als eine Art außerirdischer Vampire, die uns hienieden die Bioenergie absaugen.

Seine Kontakte mit diesen Wesen hat Reich detailliert beschrieben, das Buch Contact with Space - The Oranur Second Report 1951-56 wurde nach seiner Verurteilung in Amerika 1957 demonstrativ verbrannt. Es ist bis heute genausowenig erschienen wie die meisten Aufzeichnungen Reichs aus den letzten fünfzehn Jahren seines Schaffens, das nahezu ausschließlich der Erforschung außerirdisch/innerpsychischer Energie galt. Hier könnte sich, neben den Ufos aus dem Kosmos der Seele (1) und des Weltalls (2), eine dritte, eher organische Variante des Phänomens, Untertassen aus „Psychomaterie“, abzeichnen - und die Lage in der Einflugschneise vollends verwickeln. Als Navigationshilfe hatte ich mir auf dem Schmierzettel für diesen Artikel Punkt 4 notiert: „Ufos sind Medien!“ Mit einer schwungvollen Schlußmeditation - darüber, daß auch dieses Medium, egal wie es dahergeflogen kommt, die Message ist und seine Botschaft in nichts anderem besteht, als sich mit ihm zu befassen - sowie der freundlichen Aufforderung, doch am heutigen Sirius-Tag einfach alle sieben Sinne empfangsbereit zu halten, sollte dieser Beitrag enden.

Doch dann finde ich in der Post, nach der Ufo-Notiz in der Zeitung, den neuen 'Freibeuter‘ (Nr.44, Wagenbach-Verlag), „Thema: Medien sehen dich an“ als Überschrift, darüber das Bild einer gelb strahlenden Untertasse. Der Zufall verunklart sich wie folgt: Dem Schwerpunkt Medien sind sieben Aufsätze gewidmet - unter anderem beschreibt Lutz Hachmeister, wie die deutsche Intelligenz die wegweisende Medientheorie McLuhans ein Vierteljahrhundert ignorierte, um dann auf den Epigonen Postman abzufahren - ein einziger Beitrag des Hefts befaßt sich mit Ufos, und ausgerechnet der rutschte mit einer Abbildung aufs Titelblatt. In den „Flügen ins Unerhörte“ von Eberhard Sens (die erste Expedition flog er in Nr.43) steht zuviel unerhört Wichtiges und Richtiges über die Ungeliebten Forschungsobjekte, als daß es auf dieser kurzen Kaffeefahrt zum Sirius noch Erwähnung finden könnte. Außer einer Schlußperspektive - auf die Schwierigkeit, die Grenzen der Wahrnehmung für das Außerirdische so einfach zu beseitigen wie etwa die Mauer in Berlin:

„Die Yetis und das Ungeheuer von Loch Ness sind so säkular wie die Erdgeschichte selbst - ihr zugehörig und so gesehen auch trivial. Die Ufos sind das nicht. Ihre Realität und ihre Realisierung wären für das herrschende Weltverständnis eine Revolution. Bleiben die Leute; von ihnen wissen wir, daß man sie nicht unterschätzen darf. Sie halten sich schon mal ganze Abende frei, um den romantischen Ufos in ihrem Flug zu folgen, aber der Raum für eine Landung zwischen Küche, Büro und Kinderzimmer ist eng. Mit den Ufos ist es wie mit den Revolutionen; man würde ihnen gerne mehr Zeit widmen, aber leider hat man gerade etwas vor. 'Der Mensch‘, weiß Gottfried Benn, 'hat Nahrungssorgen, Familiensorgen, Fortkommenssorgen, Ehrgeiz, Neurosen.‘ Und mit den Ufos, so meistens zwischen zehn und dreiunddreißig Metern im Durchmesser, schweben in Wahrheit großformatige Probleme. Je größer die Perspektiven, desto kleiner wird alles. Das ist es: das Kleine spielt nicht mit. Die großformatigen Wahrnehmungen scheitern an den kleinen.“

Die Raupe kann den Schmetterling nicht verstehen.