Eisenbahner vereint - Eisenbahn marode

■ Eisenbahner-Gewerkschaften aus BRD und DDR vereinen sich / SPD stellt Plan zur Erneuerung des DDR-Verkehrssystems vor / Private Investoren sollen die Hauptlast tragen

Aus Braunschweig J.Voges

Die Vorstände und Beiräte der Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschland (BRD) und der Gewerkschaft der Eisenbahner (DDR) haben gestern die Übernahme der DDR-Eisenbahnergewerkschaft durch ihre bundesdeutsche Schwesterorganisation eingeleitet.

In Güsen bei Magdeburg hatten die Gremien der DDR -Gewerkschaft GdE die Selbstauflösung und die Überführung ihrer 130.000 Mitglieder in die bundesdeutsche GdED zu beschließen. Vorstand und Beirat der 320.000 Mitglieder starken GdED einigten sich zur gleichen Zeit in Braunschweig darauf, mit der Übernahme ihren bisher sechsköpfigen Gewerkschaftsvorstand um zwei DDR-Mitglieder zu erweitern und zusätzlich je 15 DDR-Gewerkschafter in Hauptvorstand und Beirat aufzunehmen.

Vollzogen werden soll der Zusammenschluß beider Gewerkschaften auf einem außerordentlichen Gewerkschaftstag der GdED Ende Oktober in Kassel. Nach Angaben des GdED -Vorsitzenden Rudi Schäfer hat seine Organisation den Gremien der DDR-Gewerkschaft „genau vorgeschrieben, wie die für den Zusammenschluß notwendigen Beschlüsse auszusehen“ haben. „Anders kriegen die DDR-Kollegen das nicht auf die Reihe“, sagte Schäfer gestern in Braunschweig.

Als künftiges tarifpolitisches Ziel bezeichnte es Schäfer, für die 250.000 DDR-EisenbahnerInnen künftig die bundesdeutschen Manteltarifverträge und Eingruppierungsregelungen durchzusetzen.

Für das Vereinte Deutschland forderte der Gewerkschaftvorsitzende, die Mängel und Fehler westdeutscher Verkehrspolitik nicht zu wiederholen. Rechtzeitig müßten in der DDR wirtschaftlich und ökologisch sinnvolle Alternativen zum Drang nach Vollmotorisierung entwicklet werden.

Für die Deutsche Reichsbahn verlangte Schäfer „ein Sofortprogramm mit Vollzugszeitplan für die Instandsetzung und Moderniseireung der Infrastruktur und der Schienenfahrzeuge. Durch beschleunigte Elektrifizierung, vorrangig aber durch Ersatz schadhafter Eisenbahnschwellen und kaum noch befahrbahrer Brücken müsse der Substanzverlust bei der Reichsbahn so schnell wie möglich korrigiert werden, erklärte Schäfer. Ohne ein solches Modernisierungsprogramm drohe auch der Eisenbahn der DDR ein weitreichendes Streckensterben.

SPD will DDR-Verkehr mit Privatkapital ausbauen

Bonn (dpa) - Die SPD-Bundestagsfraktion hat Vorschläge entwickelt, um das völlig marode Verkehrswesen der DDR mit dem Einsatz von Privatkapital zu einem der modernsten Europas auszubauen. Ihr Verkehrsexperte Klaus Daubertshäuser hat gestern vorgeschlagen, daß die Bundesbahn und die DDR -Reichsbahn gemeinsam eine Deutsche Verkehrs-Investment-AG gründen.

Bis zu einer möglichen späteren Vereinigung der beiden Eisenbahnen sollte eine solche Gesellschaft privates Kapital nicht nur zur Modernisierung der Eisenbahn, sondern des gesamten DDR-Verkehrswesens einsetzen.

Sie sollte damit die staatliche Finanzierung ergänzen, für die bisher im DDR-Haushalt lediglich zwei Milliarden Mark für die zweite Hälfte 1990 und vier Milliarden Mark für 1991 veranschlagt seien.

Nach Angaben Daubertshäusers sind in den nächsten Jahren Investitionen zur Modernisierung und Erweiterung des DDR -Verkehrs von rund 300 Milliarden Mark erforderlich. Nach zuverlässigen Ermittlungen von Experten würden allein für die Eisenbahn 120 Milliarden Mark benötigt. 100 Milliarden Mark erforderten der Straßenbau, 14 Milliarden Mark der öffentliche Personennahverkehr, je 15 Milliarden Mark Binnenschaft und Luftverkehr, 20 Milliarden Mark die übrigen Bereiche. Die SPD unterstütze den Vorschlag des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), die Verkehrswege künftig über Benutzungsgebühren statt aus dem Bundeshaushalt zu finanzieren. Die Mittel dafür sollten aber nicht nach dem im Westen üblichen System der Mauterhebung auf den jeweils benutzten Verkehrswegen, sondern nach dem „Territorialitätsprinzip“, das heißt im Zusammenhang mit der Steuer, erhoben werden.