Galinski: Damit haben wir nichts zu tun

■ Differenzen wegen Ostberliner Aufnahmeverfahren für jüdische Flüchtlinge aus der Sowjetunion

Berlin (taz) - Das in der DDR praktizierte Verfahren, wonach aus der Sowjetunion in die DDR geflüchtete Juden eine vom „Verband der Jüdischen Gemeinde“ ausgestellte jüdische Identitätsbescheinigung vorweisen müssen, um im „Zentralen Aufnahmelager des Ministeriums für Inneres“ in Ahrensfelde Unterkunft und Verpflegung zu bekommen, wurde vom Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde, Galinski, kritisiert. In einem Gespräch mit der taz betonte er, daß der in den sowjetischen Inlandspässen eingetragene Vermerk „Jude“ reichen müsse, um in der DDR generelles Bleiberecht und Eingliederungshilfe zu bekommen. Entgegen der Darstellung von Dr. Fischer, Generalsekretär des „Verbandes der Jüdischen Gemeinde in der DDR“, wurde das fragwürdige „Bescheinigungswesen“ nicht mit der Jüdischen Gemeinde West abgesprochen. „Damit haben wir nichts zu tun und sind auch dagegen“, sagte Galinski. In West-Berlin überprüfe die Jüdische Gemeinde die jüdische Herkunft nur, wenn jemand Gemeindemitglied werden möchte. Die Gemeindemitgliedschaft werde strikt getrennt vom Aufnahmeverfahren.

Schwierigkeiten gebe es in West-Berlin auf einer anderen Ebene, erläuterte Galinski. Die Ausländerpolizei erkenne zwar die Paßeintragung „Jude“ an und erteile erst eine Duldungs- und später eine Aufenthaltsgenehmigung. Um aber Sozialhilfe und einen Vertriebenenausweis zu bekommen, müssen die aus der UdSSR geflüchteten Juden laut Asylrecht der BRD nachweisen, daß sie zum „deutschen Kulturkreis“ gehören. „Das ist ein demütigendes Verfahren“, erklärte Galinski, „die von Deutschen verfolgten Juden (...) müssen Deutschen nachweisen, (...) daß sie immer noch Deutsche sind.“ In seiner Eigenschaft als Zentralratsvorsitzender der Juden in Deutschland setzt sich Galinski seit längerem dafür ein, daß das Außenministerium die Paßeintragung ohne Wenn und Aber akzeptiert. Der Exodus sowjetischer Juden nach Berlin werde in nächster Zeit zunehmen, sagte Galinski. Während der letzten acht Jahre sind rund 3.500 Juden aus der Sowjetunion nach West-Berlin gekommen.

Mit dem Problem des Auszugs der Juden aus der Sowjetunion befaßte sich am Wochenende auch eine „Jüdische Gruppe West -Berlin“. Sie kritisierte in einer Erklärung den von bundesrepublikanischen jüdischen Organisationen verfaßten Aufruf „Exodus 90“, der „zur Unterstützung der Ansiedlung sowjetischer Juden aufgerufen hat, ohne die besetzten Gebiete davon auszunehmen“. Die Gruppe kritisierte weiter, daß die sowjetischen Juden von der Schamir-Regierung für eine „Groß-Israel-Politik“ mißbraucht würden.

aku