„Die SPD steht hinter Lafontaine...“

...weil sie keine Alternative hat, meint der stellvertretende SPD-Fraktionschef Horst Ehmke  ■ I N T E R V I E W

taz: Das SPD-Präsidium hat sich nicht gerade leidenschaftlich hinter Oskar Lafontaine gestellt. Wackelt der Kanzlerkandidat?

Horst Ehmke: Nein. Lafontaine ist einstimmig nominiert worden. Die Partei steht hinter ihm, schon weil sie weiß, daß sie keinen anderen Kanzlerkandidaten mit gleichen Erfolgsaussichten hätte.

Außer seinen saarländischen und niedersächsischen Freunden scheint kaum jemand Lafontaine zu unterstützen.

Das halte ich für eine völlig falsche Optik. Wenn Sie sich die letzten Bezirksparteitage angucken, dann ist klar, wie stark die Partei ihn unterstützt. Wir sind uns alle einig darin, daß der Staatsvertrag, so wie er jetzt vorliegt, nicht die Zustimmung der SPD finden kann. Dem entsprach der Beschluß im Parteivorstand, zu verhandeln. Das ist im Gange. Danach wird man sehen. Nicht alle Fehler, die Helmut Kohl gemacht hat in den letzten Monaten, lassen sich noch ausbügeln. Als Opposition haben wir trotzdem die Verantwortung, die Dinge besser zu machen, als sie jetzt sind.

Gleichwohl überwiegt die Zahl der Kritiker Lafontaines in der Fraktion und in den SPD-regierten Ländern.

Nein, Sie dürfen nicht glauben, daß die, die am lautesten reden, alle repräsentieren. Ich glaube, daß die Sacheinsicht Lafontaines, Kohl habe den schnellsten, risikoreichsten und teuersten Weg zur Einheit gewählt immer mehr Zustimmung findet. Was immer wir an Verbesserungen durchsetzen können der Kanzler und die Koalition versuchen ja, ihren Fehler zu korrigieren - wir werden Helmut Kohl nicht die Verantwortung für diesen Weg abnehmen. Nachdem er erst jede Gemeinsamkeit abgelehnt hat, will der Kanzler jetzt unsere Rückendeckung haben. Wir werden ihm die Verantwortung nicht abnehmen.

Das deutet auf ein Nein zum Staatsvertrag im Bundestag. Die Stimmung in der SPD scheint eher dahin gehen, Lafontaine mit einem Ja zu brüskieren.

Wir verhandeln jetzt und werden im Lichte der Ergebnisse über unser Votum entscheiden.

Eine elegante Formulierung, die den Streit in der SPD indes nicht verhüllen kann.

Das ist kein Streit. Die einheitliche Position lautet: Wir warten die Verhandlungen ab, und dann werden wir uns entscheiden. So ist es.

Hans-Jochen Vogel kann seine Verärgerung über Lafontaine kaum noch verbergen.

Warum sollte er sich über Lafontaine ärgern? Also, ich halte von diesem ganzen Klein-Klein nichts. Politisch interessant ist: 1. Lafontaine ist unser Kandidat. Das zieht niemand in Zweifel. 2. Wir sind uns alle einig, daß der Vertrag so nicht zustimmungsfähig ist.

Wie bewerten Sie die Forderung der DDR-SPD, Lafontaine möge seine Haltung überdenken?

Die DDR-SPD meint, man müsse ins kalte Wasser springen, wie kalt es auch immer sei. Das verstehe ich. Nur das Problem daran ist: Sie war noch nicht im kalten Wasser, jedenfalls nicht in diesem.

Interview: Petra Bornhöft