Bauern, Bonzen und Nazis

■ In einem Dokumentarfilm spricht der verstorbene Alfred Sohn-Rethel über seine Arbeit für die nazideutsche Industrie

Ein verspäteter Nachruf auf den am 9. April gestorbenen Bremer Sozialphilosophen Alfred Sohn-Rethel ist jetzt in Kiel veröffentlicht worden. Der Nachruf stammt von ihm selbst. In dem Fim „Stumpfe Sense - Scharfer Stahl“ schildert Zeitzeuge Sohn-Rethel die Rolle der deutschen Großindustrie vor der Machtergreifung durch die NSDAP. Er deckt damit nicht nur die politischen Verflechtungen zwischen der Wirtschaft und den Nationalsozialisten auf, sondern legt auch einen brisanten Abschnitt seiner eigenen Biographie offen. Die Kieler Gruppe „Zeitzeichen“ verknüpft in dem Film Interviews mit Augenzeugen und dokumentarische Bilder.

1928 beginnen die Bauern, um ihre nackte Existenz zu kämpfen. Neben den hohen Zinsen und Steuern, die die bäuerliche Produktion belasten, haben die billigen Agrarprodukte, die aus Übersee und Polen eingeführt werden, die Bauern in eine ausweglose Situation gebracht. Im Januar 1928 fordern in Schleswig-Holstein 140.000 Bauern auf dezentralen

Demonstrationen u.a. Zölle gegen die Importe. In den Folgejahren entwickeln sie militante Widerstandsformen.

Die NSDAP, die von Anfang an ihre Forderungen unterstützt, ihre Widerstandsformen aber bekämpft hat, übernimmt Anfang der dreißiger Jahre die Bauern-Forderungen. Damit gelingt es ihr, den militanten Kampf der Landbevölkerung zu beenden. Bei den Wahlen 1932 erreicht die NSDSP in ländlichen Gebieten Schleswig-Holsteins bis zu 64 Prozent der Stimmen.

Die Weltwirtschaftskrise hat mittlerweile alle Wirtschaftsbereiche erfaßt. Vertreter der Schwerindustrie fordern eine intensive Kriegswaffenproduktion und die Abschottung Deutschlands gegenüber dem Weltmarkt. Hier treffen sie sich mit den Bauern. Die NSDAP entwickelt daraufhin ein auf die deutsche Autarkie ausgerichtetes Wirtschaftsprogramm.

An dieser Stelle tritt Alfred Sohn-Rethel auf den Plan. Er ist zu dieser Zeit wissenschaftlicher Mitarbeiter des neubelebten

„Mitteleuropäischen Wirtschaftstags“ (MWT), einem Büro der Großindustrie. Der MWT konzipiert als Gegenmodell zu den Autarkiebestrebungen eine ökonomische Neuordnung Europas. Der Grundgedanke ist dabei, über direkte Lieferverträge insbesondere die Staaten Osteuropas fest an Deutschland zu binden. Dabei sollen die deutschen Exporte mit Agrarprodukten bezahlt und darüber Deutschland eine Ernährungsgrundlage auch für den Kriegsfall gesichert werden. Die deutsche Landwirtschaft soll kartelliert, den Bauern also ihre Produkte vorgeschrieben werden. Dafür sollen sie garantierte Preise erhalten.

Sohn-Rethel stellt in dem Film die aus seiner Sicht wahren Pläne des Büros der Großindustrie dar: Die Bauern sollten für die Interessen der Industrie eingespannt, die ökonomische Neuordnung Europas gemeinsam mit der NSDAP angegangen werden.

Quinka F. Stoehr vom Kieler Verein „Zeitzeichen“ nennt denn auch genau dies als einen der wichtigen Gründe für den Film:

„Wir wollten aufzeigen, wie die Nazis gegensätzlich Interessen genutzt haben, um an die Macht zu kommen.“ Der Film fragt aber

auch nach möglichen politischen Alternativen in der „Bauernfrage“.

oma

Der 90-minütige Viedeofilm

kann ausgeliehen werden bei Zeitzeichen, Schauburger Str. 54, Hinterhof, 2300 KIel, Tel:0431/577511