Böhme: „Es geht doch alles gut“

■ Entwarnung nach Akteneinsicht in der Stasi-Zentrale / Keine Belege für Stasi-Spitzeltätigkeit gefunden / Hinweise auf weiteres Material sollen noch geprüft werden / Böhme ab Montag wieder SPD-Parteichef und Fraktionsvorsitzender / Akteneinsicht für alle Abgeordneten

Berlin (dpa/taz) - Der DDR-Politiker Ibrahim Böhme will am Montag seine Amtsgeschäfte als Partei- und Fraktionsvorsitzender der SPD wiederaufnehmen. Nach den Worten seines Rechtsanwalts Friedrich-Wilhelm von Sell wurde bei der fünfeinhalbstündigen Sichtung von Dokumenten bisher kein belastendes Material gefunden. „Es geht doch alles gut“, kommentierte Böhme die Einsicht in seine Stasi-Akte am Freitag nachmittag in Ost-Berlin: Wegen der Menge der Akten kann die Untersuchung erst nächste Woche endgültig abgeschlossen werden. Böhme hatte seine Parteiämter ruhen lassen, bis die Verdächtigungen einer Mitarbeit beim früheren Staatssicherheitsdienst entkräftet seien. Böhme kündigte nach dem Lokaltermin in der Normannenstraße an, daß er ab Montag wieder der Parteiarbeit zur verfügung stehe.

Von Sell zufolge sahen er und Böhme in der ehemaligen Stasi -Zentrale 200 bis 300 Seiten Akten durch. Dabei hätten sich Hinweise auf weiteres Material ergeben, das jetzt erst gesucht werden müsse. Nach Angaben des Anwalts wurde eine Strafakte aus dem Jahr 1978 gefunden, in der Böhme der „Verächtlichmachung des Staates“ nach Paragraph 106 des Strafgesetzbuches bezichtigt wurde. Detailakten, teilweise nur als Kopien, hätten dann auf neue Akten verwiesen. Ohne Kenntnis dieser Papiere sei eine endgültige Beurteilung der Sachlage nicht möglich. In der Mitarbeiterkartei sei jedoch keine Karte über Böhme gefunden worden.

Der Anwalt kündigte an, vom Hamburger Nachrichtenmagazin 'Der Spiegel‘ eine Gegendarstellung zu verlangen. Der Bericht des Magazins über Böhme sei in „12 bis 14 Punkten“ unrichtig. „Wir werden akribisch beweisen, daß Böhme zu keiner Zeit für die Stasi gearbeitet hat“, betonte von Sell.

Außer Böhme werden in nächster Zeit weitere Volkskammerabgeordnete Gelegenheit erhalten, ihre Akten einzusehen. Alle Mandatsträger können einen Antrag auf Akteneinsicht stellen, über den die drei Regierungsbevollmächtigten zur Auflösung des Staatssicherheitsamtes - Werner Fischer, Georg Böhm und Fritz Peter - entscheiden. Dies teilte der Sprecher des Komitees zur Stasi-Auflösung, Klaus Wendler, in einem Gespräch mit der DDR-Nachrichtenagentur 'adn‘ in Ost-Berlin mit.

Der Generalstaatsanwalt der DDR hatte in der vergangenen Woche unter Hinweis auf Verfassungswidrigkeit und Verletzung von Persönlichkeitsrechten einer Akteneinsicht nicht zugestimmt. Mit der neuen Regelung seien bislang bestehende Hindernisse ausgeräumt, heißt es. Einige Parteien haben bereits die Bereitschaft ihrer Abgeordneten signalisiert, sich hinsichtlich einer Stasi-Mitarbeit überprüfen zu lassen.