Massengrab bei Oranienburg entdeckt

■ Grabungen im Bezirk Potsdam / Tote dicht übereinander

Oranienburg (dpa) - Knapp 40 Jahre nach Auflösung des sowjetischen Internierungslagers bei Oranienburg im DDR -Bezirk Potsdam ist am Freitag ein Massengrab ausgehoben worden. Soldaten der Nationalen Volksarmee (NVA) legten innerhalb weniger Stunden in mehreren Gruppen im Schmachtenhagener Forst menschliche Skelette frei, die nur einen Meter unter der Erde verscharrt lagen. Schädel und Knochen lagen dicht an dicht übereinander. Die Soldaten, die sich freiwillig zu dieser Großgrabung gemeldet hatten, fanden außerdem Patronenhülsen und verrostete rechteckige Erkennungsmarken.

Zeitzeugen zufolge sollen die Toten zwischen 1945 und 1948 von Angehörigen der Sowjetarmee erschossen und in der Senke verscharrt worden sein. Der sowjetische Sicherheitsdienst NKWD unterhielt in der Nähe des Fundortes von 1945 bis 1950 ein Speziallager für Gefangene. In diesem Internierungslager - vor Kriegsende das Nazi-KZ Sachsenhausen - kam 1946 auch der Schauspieler Heinrich George ums Leben, der von den Sowjets als Nazi-Kollaborateur angesehen wurde. Aber auch viele Sozialdemokraten kamen hier ums Leben, weil sie sich der Zwangsvereinigung von KPD und SPD widersetzten. Der sowjetische Geheimdienst NKWD soll auf dem Gebiet der heutigen DDR von 1945 bis 1950 insgesamt elf Internierungslager unterhalten haben.

Der 62jährige Elektroingenieur Kurt Müller, der im Dezember öffentliche Stellen über den Massenfriedhof informiert hatte, berichtete am Ort des Geschehens, er habe in der Zeit zwischen 1945 und 1948 „über Monate und Jahre nachts Schüsse gehört“. Wie er seien auch andere Anwohner des Nachts von dem Lärm von Lastwagen aufgeweckt worden. Niemand habe zu der Zeit aber das Gelände betreten können, da es von sowjetischen Soldaten abgeriegelt gewesen sei. Ein Freund habe ihn dann später an die Stelle geführt. Dort hätten sie auch menschliche Überreste gefunden. Sein Wissen habe er bis jetzt nicht preisgeben können. „Ich wollte die Gewißheit haben, daß die Geschichte nicht in die Hände von Parteigenossen gerät und verschwinden wird.“

Die Soldaten stellten gegen Mittag die Grabungen ein. Kriminalpolizei und Gerichtsmediziner sollen weitere Spuren sichern. Vermessungsexperten aus Leipzig sollen durch elektrische Erdmessungen das Ausmaß des Massengrabes bestimmen.

Die Toten sollen in dem Fundort verbleiben, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Rates des Kreises von Oranienburg, Heinz Erdmann. Die Gemeinde wolle je einen Gedenkstein errichten. Bisherigen Einschätzungen zufolge sollen in dem Grab etwa tausend bis zwölfhundert Tote liegen.