Wer die Umverteilungen bezahlt

Je schlechter der Umstellungskurs, um so höher die indirekten Erhaltungssubventionen  ■ K O M M E N T A R

Deutlich in der Minderheit, nicht nur nach Einfluß, sondern auch nach Zahl, sind die bundesdeutschen BefürworterInnen eines Umstellungskurses von 1:1 bei den DDR-Löhnen und -Gehältern. Und während im betroffenen Land selbst die Sorgen der Bevölkerung steigen, halten sich auch dort Politik und Volkswirtschaft auffällig zurück. Mit ihrer Warnung, der Umstellungskurs von 1:1 könne die Betriebe kurzfristig in den massenhaften Bankrott treiben, haben Wirtschaftsminister Haussmann und FDP-Chef Lambsdorff auf einen Weg gedeutet. Er führt zur unmittelbaren Ausdifferenzierung der Einkommenslandschaft in der DDR nach Regionen, Branchen und Betriebsgrößen - selbstverständlich auf Kosten der Belegschaften.

Die Eckwerte, auf denen dieser Plan beruht, - Produktivität und Kaufkraft der DDR-Beschäftigten im Verhältnis untereinander und zur BRD - sind umstritten. Lassen sich die Daten, die, etwa beim Kaufkraftvergleich, noch vor dem 9. November gewonnen worden waren, oder, wie beim Produktivitätsvergleich, aus dem Winter des Umbruchs stammen, überhaupt noch zu Recht verwenden? Wo die ExpertInnen gerade mit dem Streit beginnen, muß auf die politischen Maximen zurückgegriffen werden. Der Markt wird's regeln, nimmt die überwiegende Mehrheit der Bonner Politiker an.

Die Überlegung ist: Lieber sollen unmittelbar nach der Währungsunion in einigen Branchen und Regionen die Verhandlungen um Lohnsteigerungen beginnen, als Debatten um Lohnsenkungen in Betrieben, die endgültig mit dem Rücken zur Wand stehen. Niedrige Löhne in den Kombinaten sollen außerdem den Herauskauf interessanter Arbeitskräfte durch den vielbeschworenen neuen Mittelstand ermöglichen.

Elegant ist daran zum einen, daß dann die Basis der Lohnkosten, mit der die Tarifverhandlungen in der DDR beginnen werden, politisch festgelegt sind; zum anderen, daß die staatlichen Milliarden-Subventionen besser auf unterschiedliche Töpfe verteilt werden können. Wird das Gehalt einer Angestellten mit 900 DDR-Mark auch nur im Verhältnis 1 zu 1,5 umgestellt, bleiben nur 600 DM. Und selbst wenn die Mieten einstweilen nur wenig erhöht werden, ist in anderen Bereichen ein deutlicher Preisanstieg zu erwarten. Die dadurch erhöhten Sozialhilfeaufwendungen werden damit zum staatlichen Lohnkosten -Beteiligungsprogramm, und die in der Marktwirtschaft so unbeliebten Firmen-Erhaltungssubventionen werden schlichtweg verschleiert. Sinn macht dieses Vorgehen vor allem, wenn die Noch-DDR eine ähnliche Sozialverfassung erhält wie die der BRD. Dann nämlich zahlt nicht die Zentralregierung, sondern vor allem die Gemeinden.

Dietmar Bartz