Die politischen GegnerInnen sind die etablierten herrschenden Parteien!-betr.: "DIe PDS ist unser politischer Gegner!", taz vom 22.3.90

Betr.: „Die PDS ist unser politischer Gegner!“, taz vom 22.3.90

Ich habe bis heute angenommen, unsere politischen GegnerInnen seien die etablierten herrschenden Parteien, die mit leeren Versprechungen und massiver Beeinflussung der Volkskammerwahlen in der DDR dafür gesorgt haben, daß die konservative Allianz aus CDU, DSU und DA die Lorbeeren gesammelt hat, die die oppositionellen BürgerInnenbewegungen und die aus ihr hervorgegangenen Parteien und Bündnisse, also Grüne, Unabhängiger Frauenverband, Neues Forum, Initiative Frieden und Menschenrechte, Vereinigte Linke und Demokratie Jetzt durch ihren mutigen und konsequenten Widerstand gegen das alte von den Blockparteien gestützte SED-Regime erst möglich gemacht haben. Ich habe angenommen, unsere politischen GegnerInnen seien die BefürworterInnen einer Anschlußpolitik, die nicht nur durch die entstehenden beziehungsweise sich verschärfenden sozialen Mißverhältnisse zu mehr Nationalismus und anderem in beiden deutschen Staaten führen werden, sondern die auch Illusionen bei der Bevölkerung der DDR schüren, die verständlicherweise auf materiellen Wohlstand und den Verlust des Ansehens der „armen Brüder und Schwestern aus dem Osten“ hofft. (...)

Völlig absurderweise wird hier ein Bild der Linken in der Partei und außerhalb der Partei gezeichnet, das unterstellt, es ginge um ein Bündnis, gar um eine Vereinigung von AL und PDS. (...)

Angesichts der sich abzeichnenden Entwicklung in dem offenbar nicht mehr aufzuhaltenden Anschlußprozeß wird sich für grüne, alternative und linke Kräfte in den jetzt noch bestehenden zwei Staaten die Notwendigkeit ergeben, zu sehen, wie möglichst effektiv interveniert werden kann. Es wird Überlegungen geben müssen, mit den oben genannten Oppositionsparteien auf der Ebene von Wahlbündnissen oder Listenverbindungen zu agieren, was die parlamentarische Orientierung angeht, wie auch mit allen linken Oppositionsparteien auf der Ebene von Aktionsbündnissen handlungsfähig zu werden, was die außerparlamentarische Arbeit angeht. (...) Der Vereinigungsprozeß wird kaum ein Prozeß sein, in dem unsere Vorstellungen einer ökologischen, demokratischen und sozialen Gesellschaft verwirklichbar sind. (...) Es werden auch nicht rot-grüne Bündnisse sein das zeigt das Wahlergebnis vom 18.3. deutlich -, die den Prozeß der Reformierung der Gesellschaften vorantreiben könnten. Wir werden nicht umhin können, anzuerkennen, daß wir uns in der Opposition befinden, gemeinsam mit denen, die es in der DDR lange schon waren und jetzt bleiben. Wir werden deshalb auch nicht umhin können, weiter zu versuchen, gesellschaftlichen Widerstand mitzuorganisieren. Und in diesem Zusammenhang werden wir uns auch damit auseinanderzusetzen haben, was eine Partei wie die PDS programmatisch und in ihrer Oppositionspolitik bietet. Und wir werden in Gesprächen herausfinden müssen, ob der Reformprozeß dieser Partei nur Fassade ist oder tatsächlich begonnen wurde. Und wir werden damit fertig werden müssen, daß jemand wie Gysi jetzt das sagt, was wir vor zehn Jahren auch gesagt haben, und damit eine große Zahl junger (und vielleicht auch älterer) Menschen, die von uns schon länger nicht mehr für ein politisches Engagement zu gewinnen waren, anzieht.

Anstatt denjenigen, die jetzt anfangen ihre K-Irgendwas -Grüppchen-Vergangenheit aufzuarbeiten, indem sie immer laut quieken, wenn die Worte „Bündnis“ und „PDS“ in einem Satz auftauchen, ein Forum zu bieten oder per Beschluß festzustellen, wer unsere politischen GegnerInnen sind, sollten wir lieber diskutieren, wie wir unsere politischen Ziele - die Entmilitarisierung beider deutscher Staaten, eine Sozialcharta, gesetzliche Regelungen gegen Bodenspekulation und Mietwucher, den Umbau zu einer ökologischen Energiewirtschaft, den Ausbau und den Erhalt basisdemokratischer Errungenschaften („Runde Tische“), ein Gewerkschaftsgesetz, die Auflösung der Geheimdienste, den Widerstand gegen nationalistische, rassistische und frauenfeindliche Tendenzen und Politik und vieles andere durchsetzen können. (...)

Astrid Geese, AL West-Berlin