SPD schielt auf Zwist in Allianz

DDR-Allianz bildet nur „Arbeitsgemeinschaft“ SPD-Fraktion streitet sich um Regierungsbeteiligung  ■  Aus Ost-Berlin Walter Süß

Berlin (taz/ap) - Nachdem es den Parteien der „Allianz für Deutschland“ nicht gelungen ist, sich für die künftige Volkskammer auf eine Fraktionsgemeinschaft zu einigen, stellt sich die Frage einer Regierungsbeteiligung für die DDR-SPD eventuell neu. Nach einer eineinhalbtägigen Sitzung der 87köpfigen SPD-Fraktion in der neuen Volkskammer, auf der es zu heftigen Auseinandersetzungen um die Koalitionsfrage gekommen ist, wurde schließlich eine Erklärung verabschiedet. In ihr heißt es, die SPD sei „bereit, mit der CDU (...) Informationsgespräche unverzüglich zu führen“. Sie werde sich in ihren „Entscheidungen (...) von der Mitverantwortung für unser Land leiten lassen“. Zugleich heißt es: „Die Fraktion der SPD steht zu den vor der Wahl getroffenenn Aussagen: keine Koalition mit der PDS, keine Koalition mit der DSU.“ Auf Nachfrage erklärte der stellvertretende Parteivorsitzende Markus Meckel, bei diesen „Informationsgesprächen“ solle sondiert werden, ob künftige Koalitionsgespräche möglich sind. „Ähnliche Erkundungen“ gebe es mit der DSU nicht. (Zur Diskussion in der SPD siehe das Interview mit Konrad Elmer auf Seite 6.)

Im Vorfeld dieser Erklärung hat es heftige Auseinandersetzungen in der Fraktion gegeben, da - anders als der Parteivorstand - die neu gewählten SPD -Volkskammerabgeordneten zu einem erheblichen Teil auf eine Regierungsbeteiligung drängen. Für ihre Rolle in der Opposition fürchten sie Abgrenzungsschwierigkeiten von der PDS und eine neuerliche Niederlage bei den Kommunalwahlen am 6. Mai.

Die Vorsitzenden der drei konservativen Parteien in der Volkskammer haben sich am Mittwoch abend in Bonn bei einer gemeinsamen Sitzung mit Kohl, Waigel, Seiters, Huber und den Generalsekretären ihrer Parteien nicht auf die Bildung einer „Fraktionsgemeinschaft“ in der künftigen Volkskammer einigen können. Statt dessen wollen sie eine „Arbeitsgemeinschaft“ der konservativen Abgeordneten bilden, die von einem paritätisch besetzten Vorstand nur in technischen Fragen koordiniert werden soll. CDU-Chef de Maiziere erklärte dazu am Donnerstag morgen auf einer Pressekonferenz weiterhin, man habe sich darauf geeinigt, den Vereinigungsprozeß über Artikel 23 des Grundgesetzes anzustreben, möglichst bald in der DDR Länderstrukturen einzuführen und - das dürfte noch einigen Staub aufwirbeln - die Akten der Staatssicherheit an die Zentrale Erfassungsstelle in Salzgitter zu übergeben.

Noch am Vortag hatte Kohl die Bildung einer Fraktionsgemeinschaft von CDU, DA und DSU als „sicher“ bezeichnet. Er kannte zu diesem Zeitpunkt anscheinend noch nicht die Ergebnisse des Hofer Geheimgesprächs von CSU und DSU. Fortsetzung auf Seite 2

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Bei diesem Treffen wurde - so 'Die Welt‘ - vereinbart, daß die DSU „eigenständig“ bleiben solle. Die Gründe dafür nannte in der jüngsten Ausgabe des 'Bayernkurier‘ der dortige Innenminister Edmund Stoiber: Nach einer Vereinigung braucht die CSU, wenn sie nicht an Bedeutung verlieren, Unterstützung von außerhalb Bayerns. Das Arrangement sähe so aus, daß es „in der Ländern der jetzigen DDR eine DSU (geben wird), und dazu eine CSU, die sich auf Bayern beschränkt“. Ursprünglich, das sei hinzugefügt, hatte die CSU verlangt, sie solle „Sachsen“ als ihr Gebiet dazubekommen, doch darauf hatte sich die CDU nicht eingelassen. Bei dieser Perspektive muß die DSU sich selbständig profilieren, da sie anders längerfristig keine Chancen gegen die CDU hätte.

Falls es in der SPD-Fraktion Hoffnungen geben sollte, die CDU werde sich darauf einlassen, statt mit der DSU mit der SPD - unter Einschluß des DA und der Liberalen - zu koalieren, so dürften sie angesichts dieses Hintergrunds auf Sand gebaut sein. Die CSU würde im Karree springen und ihren Bonner CDU-FreundInnen die Hölle heiß machen. Dem Sturm, der da entfesselt würde, könnte die DDR-CDU schwerlich widerstehen.

Weniger Probleme gibt es dagegen mit den Liberalen, mit denen die Allianz gestern die Koalitionsverhandlungen begonnen hat.

Unterdessen geht das Rätselraten weiter, wer nächster DDR -Ministerpräsident werden wird. Daß Lothar de Maiziere noch immer zögert, ist unübersehbar, über seine Motive wird spekuliert. Während die 'Frankfurter Allgemeine‘ zu wissen vorgibt, daß de Maiziere vor dem Widerstand des „SED -Apparates“ zurückschreckt, hat 'Die Welt‘ eine einleuchtendere Erklärung: Neben physischer Erschöpfung schrecke ihn der „westliche Politikertyp“ ab, hinzu komme Verärgerung über das Verhalten der DSU. Als weitere Namen sind im Gespräch: Eppelmann vom „Demokratischen Aufbruch“, den Bischof Stolpe unter Hinweis auf seine Regierungserfahrung (fünf Wochen als Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung Modrow) nannte, und der Bischof selbst. Der will jedoch nur in einer „Notsituation“, sagte er 'Bild‘, und die bestehe gegenwärtig nicht.