Es lebe der Grundrentner und sein Zins!

■ Die Aufteilung der Gewinne der LPG's in Lohn und Rente birgt ein leistungsloses Einkommen für den ehemaligen Grundeigentümer in sich / Liebesdienst an Grundrentnern und Spekulanten / Die von der Mauer Befreiten werden sich noch wundern

Am Runden Tisch wurde vorgeschlagen, daß der Gewinn der LPG's in Zukunft in Lohn und Rente aufgeteilt und der Bodenzins wieder in voller Höhe an die ehemaligen Grundeigentümer verteilt werden soll. Und zwar in der Weise, daß jene Bauern, die einmal viel Boden in die Genossenschaft eingebracht haben, eine entsprechend hohe, die Kleinbauern eine entsprechend niedrige und die ehemaligen Pächter und eigentumslosen Genossenschaftler keine Rente erhalten. Das bedeutet, daß das Arbeitseinkommen der Genossenschaftsbauern um den Bodenzins verkürzt wird und daß die ehemaligen Grundeigentümer aus diesem Abzug ein leistungsloses Einkommen erhalten.

Damit würden die alten feudalen Verhältnisse der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft durch den Mehrwertanteil Bodenzins wieder hergestellt! Bezeichnend ist, daß auch jene am Runden Tisch, die sich als links und sozialistisch verstehen, diesem reaktionären Konzept ihre Stimme gaben. Damit war der erste Schritt getan, um zukünftigen Grundrentnern und Grundstücksspekulanten den Weg zu ebnen zu gewaltigen arbeits- und mühelosen Zugriffen in die Tasche arbeitender Menschen.

Eine vorweggenommene Anpassung an BRD-Verhältnisse noch vor der „Neuvereinigung“. Dieser masochistische Liebesdienst an den parasitären Grundrentner ist nicht von Pappe. In der Bundesrepublik macht nach Berechnungen des Aachener Publizisten Helmut Creutz allein die jährliche Bodenrente der privaten Eigentümer mehr als der dortige Verteidigungshaushalt aus. Bereits 1986 betrug die Rente, die privaten Grundeigentümern zufloß, etwa 60 Milliarden DM, der Wehretat 50 Milliarden. Im gleichen Zeitraum betrug die Gewinnspanne aus der Wertsteigerung des privaten Bodens etwa 120 Milliarden DM. Während die mageren Arbeitseinkommen der Bürger mit etwa 20 Prozent Einkommenssteuer belastet werden, werden diese riesigen arbeitsfreien Gewinne der Grundeigentümer so gut wie gar nicht besteuert. Aus dieser Perspektive gesehen wird der Eifer verständlich, mit dem sich Westteutonen auf ihren ehemaligen Grundbesitz in der DDR stürzen, von „Linken“, „demokratischen Sozialisten“ und Marxisten beklagt, aber kaum begriffen.

Begriffen wird nicht, was in den 20er Jahren dank Damaschke, den heute niemand mehr kennt, noch beinahe zur Allgemeinbildung gehörte: was Boden, Boden(un)recht und Bodenrente bedeuten. Der Boden ist ein Naturprodukt, nicht von Menschenhand geschaffen. Ein Geschenk der Natur an alle Menschen. So wie der Fisch ins Wasser, ist der Mensch auf den Boden geboren, auf den Boden „unseres“ Planeten Erde. So wie das Wasser zur Natur des Herings geht, geht der Boden zur Natur des Homo sapiens. Jeder Mensch dieser Erde hat also das gleiche Recht auf jeden Flecken dieser Erde. Das ist sein naturgegebenes, sein Naturrecht. Denn der Boden ist ebenso ein physiologischer Teil des Menschen wie die Luft, die er zum Atmen benötigt. Wo sollte er sonst auch leben? Auf den Straßen der Großstädte? Auf dem herrenlosen Meer? Im Himmel bei den Engeln? Wo manche Großgrundbesitzer Menschen mit Hilfe ihrer Privatarmeen hinbefördern... Niemandem würde es einfallen, die Luft einigen wenigen Menschen zuzueignen und diesen zu erlauben, die Luft an andere Menschen kubikmeterweise gegen einen Zins von drei oder vier Mark im Monat zu vermieten oder für 1.000 Mark zu verkaufen. Warum sollen also einige wenige ein Recht haben, sich den Boden anzueignen und ihn quadratmeterweise zu verschachern oder zu verpachten? „Wem ist man den Pachtzins der Erde schuldig?“ fragt der Anarchist Proudhon. Und er antwortet: „Dem Erschaffer der Erde. Wer hat die Erde erschaffen? Gott. Nun also, Eigentümer, zieh Dich zurück.“ Der Boden ist nicht nur ein Produkt Gottes, er kann auch nicht von Menschenhand geschaffen werden. Er kann also auch nicht im Gleichschritt mit dem Wachstum der Bevölkerung vermehrt werden. Das heißt, er wird immer knapper, und mit wachsendem Reichtum der Gesellschaft und steigender Nachfrage wird jeder Quadratmeter Boden auch immer teurer. Während alle produzierbaren Güter, die besonders knapp sind und daher einen Sondergewinn auf dem Markt erzielen, in der Wettbewerbswirtschaft vermehrt werden, so daß deren Sondergewinne auch wieder verschwinden, nehmen die Knappheitsgewinne aus der Bodenrente und der Bodenwertsteigerung ständig zu. Der Geburtenzuwachs in der „Dritten Welt“, der vor allem das Verdienst der Mütter ist, und der zunehmende gesellschaftliche Reichtum in der „Ersten Welt“, der von den Produzenten vermehrbarer Produktions- und Gebrauchsmittel erarbeitet wird, bewirken, daß die Grundrentner und Bodenspekulanten ohne produktive Gegenleistung immer reicher werden.

Bei dem westdeutschen Großgrundbesitzer Thurn und Taxis hat sich durch Zins und Spekulationen bereits ein Vermögen im Werte von drei Milliarden DM angehäuft. Bei einer Verzinsung dieses Vermögens von vier Prozent im Jahr kassiert er täglich ohne einen Finger krumm zu machen 328.767 DM. Da er den größten Teil dieses Geldes für den privaten Konsum nicht ausgeben kann, möchte er ihn sicherlich gerne wieder anlegen, zum Beispiel in Grundbesitz im Osten des wiedervereinigten Deutschlands. Mit der Legalisierung der Bodenrente wird der erste Schritt getan, damit es sich für die großen und kleinen Thurn und Taxis bald „rentiert“, ihre gute D-Mark in der DDR zu investieren. Um die Zinsen für diese Investitionen zahlen zu können, werden die ostdeutschen Arbeiter und Mieter ganz schön in die Hände spucken müssen...

Die Bodenrente ist eine Tatsache, die wir nicht erst bei Marx im 3. Band Kapital nachzulesen brauchen, eh abgeschrieben bei den Klassikern. Bereits der Physiokrat Quesnay und der Altliberale Smith haben dieses Problem behandelt; sie wollten die Bodenrente durch eine Grundsteuer abschöpfen. Doch alle folgenden Sozial- und Bodenreformer, die sich dieses Problems annahmen, wie zum Beispiel Henry George, Adolf Damaschke oder Silvio Gesell, sind von Marxens Epigonen als kleinbürgerliche Spinner abgetan worden. Von jenen, die mit der zentralgelenkten Staats- und Planwirtschaft den langen Weg des „realen Sozialismus“ mit Leichen pflasterten.

Boden in Gemeineigentum oder die Vergesellschaftung der Bodenrente und der Bodenwertzuwächse stehen nicht in Widerspruch zur Marktwirtschaft. Im Gegenteil. In Dänemark gibt es - ganz im Sinne Georges und Damaschkes - seit den 20er Jahren eine Besteuerung des Bodenwerts. Wie Martin Pfannschmidt berichtet, hat diese Abschöpfung der Bodenrente dazu geführt, daß unter marktwirtschaftlichen Bedingungen „ein starkes Kleinbauerntum erhalten (blieb) und das städtische Kleineigentum maximiert“ wurde (Vergessener Faktor Boden, 1972).

Der vergesellschaftete Boden könnte nach sozialen, städtebaulichen und ökologischen Gesichtspunkten, aber ansonsten ganz in marktwirtschaftlichem Sinne an Meistbietende verpachtet werden, ähnlich wie das jetzt in der Sowjetunion angesteuert wird. Das würde garantieren, daß ihn tüchtige Nutzer, kollektive wie Einzelunternehmer, bewirtschaften und die Rente voll an die Gesellschaft abführen. Darüber hinaus machen sie (wenn wir einmal vom Geld- und Kapitalzins absehen) Gewinne, die ihren Leistungen entsprechen und sie zu Leistungen anspornen, die die Läden füllen. Die Bodenrente könnte an alle Bürger gleichmäßig verteilt werden, oder es könnten aus ihr soziale und/oder kulturelle Projekte finanziert werden. Wenn die Stadt Zürich den Boden ihrer alten Wallanlagen nicht verkauft, sondern verpachtet hätte, könnte sie heute allein aus der Grundrente ihren ganzen Gemeindehaushalt finanzieren! Allen Bürgern könnten die Gemeindesteuern erlassen werden.

Gesell wollte die Bodenrente den Müttern und Kindern zugute kommen lassen, den Müttern als Beitrag zu ihrer gesellschaftlichen Leistung der Reproduktion der Bevölkerung, den Müttern und Kindern, um sie von materieller Abhängigkeit von männlichen „Ernährern“ zu entlasten. - Ein matristisches Konzept!

Das Bodenproblem ist nicht nur in der „Dritten Welt“ ein großes soziales Problem. In der BRD treiben gegenwärtig die Übersiedler die Mietpreise und damit den Bodenzins und die Bodenpreise in den Ballungszentren in die Höhe. Während in der BRD diese Völkerwanderung aus den Steuermitteln der arbeitenden Menschen von der Bundesregierung gefördert wird und zahlungsunfähige Normalverdiener und Sozialhilfeempfänger auf der Straße liegen, weil die knappen Wohnungen zu teuer geworden sind, werden die schmarotzenden Grundeigentümer reicher und reicher. Was könnten jedoch aus den mehr als 180 Milliarden DM Grundrente und Bodenwertzuwachs, die Jahr für Jahr und mit steigender Tendenz an die Taschen privater Grundrentner fließen, für Wohnungen gebaut werden!

Die Bürger der DDR werden bald - sollten sie den westdeutschen Bodenspekulanten nicht doch noch einen Riegel vorschieben - ebenfalls mit diesem Problem konfrontiert sein. Und die von der Mauer befreiten Berliner werden sich noch wundern, wenn das Heer der Tausende gut verdienender Bonner Regierungsbeamten in die Hauptstadt Berlin einfällt und auf Wohnungssuche geht. Die Grundrentner werden sich freuen!

„Wenn ein Mensch bei seinen Lebzeiten das Recht seines Grundbesitzes in ein Eigentumsrecht verwandeln will, so erkläre ich ihm den Krieg auf Leben und Tod“ (Proudhon).

Klaus Schmitt