Deutsche Termin-Börse mit Startschwierigkeiten

Nach sechs Wochen läuft das Geschäft schwerfälliger als erwartet / Allianz-Papiere bringen es nicht / Londoner Konkurrenz drückt auf die Kurse / Für Kleinanleger zu teuer  ■  Aus Frankfurt M. Bröckers

Der Start, vor sechs Wochen, verlief ohne den befürchteten Computerabsturz - die als anfällig verrufene, von der Schweizer Terminbörse übernommene Software hielt durch: Am 26. Januar öffnete in Frankfurt die Deutsche Termin-Börse (DTB) ihre digitalisierten Pforten und vermittelte bis zum Nachmittag insgesamt 12.006 Optionskontrakte. Der Finanzplatz BRD war um eine Attraktion reicher. Das Geschäft läuft indes sehr schleppend an.

Rund hundert Millionen Mark haben vor allem die Großbanken in das Projekt der vollcomputerisierten Terminbörse gesteckt, ohne die, so die einhellige Meinung der Finanzszene, der Börsenplatz Frankfurt im künftigen Europa zum Hinterhofdasein verurteilt wäre. Für Großanleger und Investmentfonds stellen Kauf und Verkauf von Optionen eine Art Versicherung dar, mit der sie ihre Aktienpakete bei allzu heftigen Kursauschlägen schadlos halten.

Zwar war schon seit 1970 der nach dem großen Crash 1929 in Deutschland verbotene Optionshandel wieder möglich, doch auf dem unübersichtlichen, engen Markt kamen nur sehr wenige Geschäfte überhaupt zustande. Außerdem galten sie juristisch als Wettgeschäft, das nur unter Vollkaufleuten zulässig war. Privatanleger, die über ihre Bank Optionen gekauft hatten, konnten, wenn die Wette nicht aufgegangen war, die Verluste erfolgreich zurückklagen. Das ist jetzt anders: Nach einer Gesetzesänderung kann die DTB als vollcomputerisierter Buchmacher für jedermann fungieren.

Zwar äußerte sich der Geschäftsführer der DTB, Jörg Franke, über den „gelungenen Start“ und die bisherige Entwicklung „zufrieden“. Der Tagesumsatz liege mit durchschnittlich 22.000 Kontrakten deutlich über den intern erwarteten 15.000. In Börsenkreisen jedoch ist man vom Erfolg der DTB bisher noch nicht recht überzeugt: „Obwohl die Werbetrommel kräftig gerührt wurde“, so das Fachblatt 'Effectenspiegel‘, „läuft die Deutsche Termin-Börse schwerfälliger an und bringt im Gegensatz zu den Hochjubeleien verschiedener Seiten für den Kleinanleger nicht das, was man sich versprochen hatte.“

Das mag an den happigen Provisionssätzen liegen, die die Banken von den Privatanlegern für die DTB-Optionen verlangen. Doch auch für internationalen Großanleger, bei deren Geschäftsvolumen die Provisionshöhe nicht eine solche Rolle spielt wie bei einem kleineren Engagement, hatten in letzten Wochen eher die alte Londoner Terminbörse „Liffe“ im Auge als das neue Wett-Casino in Mainhattan. Während in Frankfurt bisher nur Optionen auf 14 Aktien gehandelt werden, führt London Optionen auf bundesdeutsche Anleihen im Programm. Und dieser „Bund-Future“ sorgte für weitaus mehr Furore als die Aktienoptionen der DTB. Das ging so weit, daß die Rentenhändler in Frankfurt die Londoner Optionsspekulanten für den rasanten Kurssturz deutscher Bundesanleihen verantwortlich machten: Die Engländer zögen mit ihren immer billigeren Optionen auf den „Bund“ die Kurse in der Bundesrepublik herunter. „Der Schwanz“, so klagte man, „wackelt mit dem Hund.“

Von einer solchen Bedeutungsschwere - daß der Markt der „leichten“, nur ein Bezugsrecht verbriefenden Optionen den „schweren“ Markt der betreffenden Aktie (oder Anleihe) bewegt - können die an der DTB gehandelten Aktienoptionen derzeit nur träumen. Zwar sind für die Zukunft Erweiterungen wie Optionen auf Anleihen und den DAX-Index vorgesehen, aktuell werden aber eher Streichungen erwogen.

Die Optionen auf die Aktien der Allianz nämlich wurden an der DTB bisher in einem Umfang gehandelt, der jeden Computer lächerlich macht: Die Anzahl der täglich vermittelten Kontrakte lassen sich zuweilen an einer Hand abzählen. Im ersten vollen Handelsmonat waren es insgesamt 712 - bei einer Bearbeitungsgebühr von 7 DM pro Kontrakt wahrlich kein Geschäft für die DTB, etwa verglichen mit dem Umsatzspitzenreiter Siemens, der im selben Zeitraum auf über 110.000 Kontrakte kam.

Im Juni soll deshalb entschieden werden, ob die Allianz -Aktie entweder ganz aus dem Rennen genommen wird oder ihr durch einen Split zu mehr Volatilität (Schwankungsbreite) verholfen wird. 1.000 Aktien für 2,40 DM das Stück werden eher gekauft eine für 2.400 DM: Optisch teure, „schwere“ Aktien wie die der Allianz mit einem Kurs über 2.400 DM weisen aus psychologischen Gründen geringere Kursschwankungsbreiten auf als billigere Papiere und sind deshalb für Wettgeschäfte schlecht geeignet. Der Optionsmarkt lebt von der Volatilität, dem möglichst deutlichen Auf und Ab der Kurse. Da im Unterschied zu USA, wo in der Regel spätestens beim Erreichen der 200 Dollar -Marke ein Aktiensplit im Verhältnis 2 : 1 vorgenommen wird, in der Bundesrepublik derlei Kurskosmetik eher als unfein gilt, dürfte die schwerbewegliche Allianz wohl bald von den DTB-Monitoren verschwinden.

Auf dem Frankfurter Parkett liegt denn auch schon ein attraktiven Nachfolger in petto: die Aktien der Rheinisch -Westfälischen-Elektrizitätswerke (RWE), bei denen wegen lukrativer Stromlieferungen in die DDR künftig mit deutlichen Kursausschlägen (vor allem nach oben) gerechnet wird.

Dennoch hat der DTB-Chef Franke Hoffnung, daß die Finanzinnovation Terminbörse nach dem nur halb befriedigenden Start alsbald richtig einschlagen könnte: Seit dem 1. März 1990 ist es auch Investmentfonds gesetzlich erlaubt, einen Teil der ihnen anvertrauten Gelder an der Optionsbörse zu investieren. Wenn die professionellen Fondmanager sähen, daß es sich bei der DTB um einen liquiden Markt handele, sei ein „Lawineneffekt“ möglich. Einen ersten, „Balance '95“ getauften Spezialfonds, der auch unkundigen Anlegern die Gewinnmöglichkeiten des Optionsgeschäfts schmackhaft macht, hat die Deutsche Bank in diesen Tagen aufgelegt: Die eine Hälfte wird in hochverzinslichen Anleihen angelegt, mit der anderen Hälfte zocken die Fondverwalter im DTB-Casino.

Wenn das gut geht, stehen dem Anleger saftige Renditen ins Haus. Setzen die Manager auf die falschen Pferde, sollen die Anleihezinsen die Schieflage ausbalancieren: 1995 erhielten die Anleger dann zumindest ihren Einsatz zurück.