Vergiftung probehalber fortgesetzt

■ Kirchweyher Kesselreinigungsanlage darf wieder stinken / Statistisch zu wenig AnwohnerInnen erkrankt

Giftgrünes Licht für die Kesselreiniger: Zwar ist es der umstrittenen Kirchweyher Kesselreinigungsfirma (RBS) „Reinigen, Beschichten, Strahlen“ derzeit verboten, Kesselwagen zu reinigen, die zuletzt krebserzeugende Stoffe enthalten haben - hinfällig wird dieses Verbot immer dann, wenn zu „Meßzwecken“ gereinigt wird. Wie häufig künftig das Verbot auf diese Weise noch aufgehoben werden wird, war vom Staatlichen Gewerbeaufsichtsamt (GAA) Hannover, das für die entsprechende Verfügung verantwortlich zeichnet, nicht zu erfahren. Aber: Theoretisch könnten bei RBS durchaus alle anfallenden krebserzeugenden Stoffe durchgetestet werden, erklärte Dr. Franke vom GAA; er bestätigt damit die Befürchtungen der Bürgerinitiative (BI) „Giftfreies sauberes Weyhe“.

Zur Vorgeschichte: Nachdem bei stichprobenhaften Immissionsmessungen auf dem RBS-Gelände unter anderem krebserzeugende Stoffe nachgewiesen worden waren, konnte auch das GAA nicht länger ausschließen,

daß diese in der Nachbarschaft in ähnlicher Größenordnung auftreten würden. Im Dezember 1988 untersagte das GAA dem Betrieb per Verfügung das Reinigen, Resten und Trocknen von Kesselwagen, die zuletzt krebserzeugende Stoffe enthalten haben. Die Verfügung wurde dann im Rahmen eines außergerichtlichen Vergleichverfahrens abgeschwächt. Im Juni 1989 wurde sie dann unanfechtbar.

Daß das Verbot nun doch zeitweilig, zu Meßzwecken, außer Kraft tritt, scheint fragwürdig, aber die Logik des Gewerbeaufsichtsamtes macht es möglich: Aufgehoben werden kann das Verbot, wenn durch Gutachten belegt wird, daß sämtliche Emissionen erfaßt und einer Anlage zugeführt werden, die die Einhaltung eines vom GAA verschärftes Emissionsgrenzwertes garantiert. Ein solches Gutachten gibt es jedoch nicht. Trotzdem darf nun - zwecks Erstellung des Gutachtens - die Verfügung zeitweilig bereits im vorab, zu besagten „Meßzwecken“ aufgehoben werden. Dazu Franke (GAA): „Es

soll nachgewiesen werden, daß die Emissionsgrenzwerte durch die Anlagen der Firma RBS eingehalten werden können.“

Drei Kesselwagen wurden bislang per „Meßzweck-Freischein“ zur Bearbeitung unter Anschluß an eine Aktivkohleanlage freigegeben. Meßergebnisse liegen dem GAA bislang nicht vor. „Hier ist die Bevölkerung ein weiteres Mal durch krebserzeugende Abgase gefährdet worden“, meint Reinhard Krokat von der Bürgerinitiative. „Lediglich“ einmal habe RBS seit Juni 1989 gegen die Verfügung verstoßen, teilte das GAA der Initiative auf Anfrage hin mit.

Der stellvertretende Leiter des Gesundheitsamtes, Egbert Steffen, sieht sich durch RBS vor ein „statistisches Problem“ gestellt. Ende vergangenen Jahres hatte er von dem in Kirchweyhe praktizierenden Arzt Dr. Hans-Jörg Norden Unterlagen mit Informationen über Patienten bekommen, die seit längerem unklare Krankheitsbilder haben, sie leiden unter Schleimhauterkrankungen, Husten, Schnupfen ohne Erkältungs

symptome, Ekzemen, Atemwegsreizungen, Kopfschmerzen. Die Betroffenen wohnen in mittelbarer Nähe von RBS. Einen Zusammenhang zwischen Gesundheitsbeschwerden und von RBS ausgehenden, häufig „chemisch“ riechenden Emissionen empirisch nachzuweisen und rechtlich greifbar zu machen, sei mit den ihm vorliegenden Unterlagen nicht möglich, erklärte Steffen. Seinen Erkundigungen zufolge müßte eine Untersuchung, die statistisch verwertbare Daten liefern soll, mit einer Zahl von rund 5.000 Betroffenen und rund 5.000 Nichtbetroffenen über einen Zeitraum von zwei Jahren durchgeführt werden. Selbst dann könne jedoch nur eine „vage Aussage getroffen werden.“ Er habe lediglich Hinweise, nicht aber rechtlich greifende Beweise. „Das ist ein statistisches Problem“, sagte Steffen mit Blick auf die „sehr unspezifischen“ Krankheitsbilder. Steffen will nun versuchen, die Firmenmitarbeiter, auch die ehemaligen, für eine Untersuchung zu gewinnen.

kna