Die neue Reue der alten Führung

■ Erich Honecker übernahm die politische Verantwortung für die Wahlfälschung und die Krise

Ost-Berlin (dpa) - Die ehemaligen DDR-Staats- und Parteichefs Erich Honecker und Egon Krenz, von einigen unerschrockenen DDR-Bürgern schon am Abend des 7. Mai 1989 als „Wahlfälscher der Nation“ bezeichnet, haben nun Mitverantwortung übernommen - und sie deuten Reue an. Strafrechtlich sind sie sich aber keiner Schuld bewußt. Mit Hilfe von Pfarrer Rainer Eppelmann, mutiger Streiter beim Aufdecken des Betrugs bei den letzten Kommunalwahlen und seit kurzem Minister, wandte sich Honecker erstmals seit seinem Sturz und Rückzug an die Bürger des Landes.

In einer knappen Erklärung, von Eppelmann in der „Aktuellen Kamera“ (AK) verlesen, übernahm Honecker die politische Verantwortung für die Krise im Land und damit auch für die Scheinwahlen der letzten Jahrzehnte. Honecker, der in seiner Bleibe, einem Pfarrhaus in Lobetal, von Eppelmann besucht wurde, soll sich vor den Justizbehörden demnächst wegen Hochverrats verantworten.

Honeckers Schuldbekenntnis ist nicht ganz neu. Ähnlich äußerte er sich schon gegenüber der SED-Revisionskommission. Aber: Sein jetzt im Fersehen verlesenes Bekenntnis, das den meisten DDR-Bürgern jedoch gewiß nicht ausreichen dürfte, sowie die Auskünfte des Staatsanwalts zur Wahlfälschung gehören zur Aufklärungs- und Stabilisierungs-Strategie der DDR.

Krenz hatte als Leiter der Wahlkommission am Wahlabend über das DDR-Fernsehen voller Stolz die angeblich über 98-Prozent -Zustimmung zu den Einheitslisten verkündet. Krenz, der schon einmal mit dem Hinweis seine Unschuld zu begründen versuchte, die Ergebnisse seien so aus dem Computer gekommen, erklärte in der „Aktuellen Kamera“ am Donnerstag abend, er habe auf „unbedingt korrekte Wahldurchführung gedrungen“. Er räumte ein, ihm habe die Zivilcourage gefehlt, „rechtzeitig mit einer Politik zu brechen, die den Sozialismus deformierte und auch mit Scheinwahlen das Land in den Augen der Welt diskreditierte“.

Vor Eppelmann und Krenz war zum Schluß der Nachrichtensendung der stellvertretende Generalstaatsanwalt Lothar Reuter zu Wort gekommen. Er faßte das zusammen, was viele längst wußten: Es gebe nun gesicherte Erkenntnisse, daß es in verschiedenen Städten zu Wahlfälschungen gekommen ist. Derzeit wird gegen 47 Personen ermittelt.