Wer siegt morgen am Saarkanal?

Landtagswahlen stellen bundespolitische Weichen / SPD hofft auf absolute Mehrheit und gute Startchancen für Bundestagswahl / CDU will Abwärtstrend stoppen / Schaffen Grüne und REPs die Fünf-Prozent-Hürde? / Mit Verlusten rechnen insbesondere die Freidemokraten  ■  Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) - Ganz entgegen allen Erwartungen endete der Wahlkampf für die morgigen Landtagswahlen im Saarland stürmisch. Massenweise fegten die Böen des Orkan-Tiefs die Politikerköpfe von den Litfaßsäulen des Flächenstaates. Doch kein Parteistratege glaubte am Freitag, das Chaos auf den Straßen sei ein (schlechtes) Omen für den Sonntag abend.

Das Wunschergebnis der SPD erfragte das Dortmunder Forsa -Institut im Auftrag des 'Stern‘: REPs und Grüne schaffen den Sprung in den Landtag nicht, die CDU sackt um mehr als vier Prozent in den 33-Prozent-Keller und die Sozialdemokraten festigen ihre gegenwärtige, hauchdünne absolute Mehrheit mit einem deutlichen Satz über die 50 -Prozent-Marke. Es wäre nicht das erste Mal, daß die WählerInnen sich anders entscheiden. Am Vortag gilt indes als sicher: Der Urnengang am Saarkanal stellt im Jahr des Bundestagswahlkampfes einige Weichen.

Sollte die SPD (1985: 49,2 Prozent) sich behaupten oder gar zulegen, wird Oskar Lafontaine Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten. Mit dieser Option hat die Partei vor allem in der letzen Wahlkampfphase geworben. Gleichwohl bestand die Strategie von Beginn an darin, so SPD-Fraktionschef Reinhard Klimmt, den „Wahlkampf auf die Person Lafontaine zu orientieren“. Was die CDU als „Personenkult“ bezeichnet, beschreibt Klimmt mit den Worten: „Zuerst kommt Lafontaine, dann eine Zeitlang gar nichts, dann wieder Lafontaine und nochmal nichts. Erst dann kann man überlegen, wer sonst noch da wäre.“ Zum Beispiel Klimmt selber, ausersehen, gegebenenfalls Lafontaine als Ministerpräsident zu beerben auch wenn der joviale Vize im Moment noch nicht darüber nachdenkt, „mit welchen Büchern ich das Büro in der Staatskanzlei bestücke“.

Einen Wahlsieg der SPD halten alle Parteien für möglich. Besonders die CDU (1985: 37,2), für die es an der Saar vor allem auch darum geht, den bundesweiten Abwärtstrend der Union zu bremsen, spürte in den letzten Wochen, daß „uns der Wind ins Gesicht bläst“. Verantwortlich dafür sei insbesondere „Lafontaines Sozialneid-Kampagne“, sorgt sich Landesgeschäftsführer Karl Rauber, „das kommt bei einigen Stammtischen gut an“. Das zielt auf Lafontaines Vorschläge, den Zuzug von Aus- und Übersiedlern und insbesondere der Rumäniendeutschen einzudämmen. Einer der Kernsätze Lafontaines im Wahlkampf: „Wer von Dresden nach Hamburg umziehen will, muß sich vorher genauso um Wohnung und Arbeitsplatz kümmern müssen, wie jemand, der von Saarbrücken nach Hamburg ziehen will.“ Im Grundsatz sei „das ja richtig“, räumt Reuber ein, „aber die populistische Deutschlandpolitik der SPD hat uns in die Zwickmühle gebracht“. So befürchtet die saarländische CDU Stimmenverluste an die SPD ebenso wie an die REPs. Ihre Chancen, das regionale Wahlziel - Lafontaines absolute Mehrheit zu verhindern - zu erreichen, hat der Kandidat Klaus Töpfer nicht eben gesteigert. Neu-Saarländer Töpfer dürfte sich zwar einige Schuhsohlen abgelaufen haben. Doch gegen das konkurrierende Power-Pack wirkte der Bundesumweltminister eher wie eine traurige Gestalt, die alles andere als wirkliche Zuversicht ausstrahlte.

Daß die CDU es mit der FDP schaffen könnte, gilt als unwahrscheinlich. Die Gelben selbst gehen nicht davon aus, ihre zehn Prozent von 1985 halten zu können. Der frühere Erfolg, so Landesgeschäftsführer Axel Künkeler, beruhte „zu einem Drittel auf Stimmen von Unterstützungswählern der CDU“. Sie bibbern zwar nicht, die Liberalen, rechnen sich aber nicht viel mehr als fünf Prozent aus.

Von einer „regelrechten Zitterpartie“ sprechen die koalitionswilligen Grünen (1985: 2,5 Prozent). Sie spekulieren auf rot-grüne WechselwählerInnen, die „mit der verfehlten Umweltpolitik und dem Absolutismus der Saar-SPD unzufrieden sind“, sagt Pressesprecher Uwe Grieger. Keine der konkurrierenden Parteien indes räumt den Grünen zur Zeit eine echte Chance ein, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen.

Äußerst unsicher sind sich alle Parteien in der Bewertung der Aussichten für die „Republikaner“, die bei den Kommunalwahlen 1989 auf Anhieb 4,4 Prozent errangen. Kürzlich gespalten und fast nicht präsent im Wahlkampf, werden ihre Anteile auch erstmals Aufschlüsse über das bundesrepublikanische Meinungsklima geben. Laut Forsa -Umfrage halten 74 Prozent der REP-Anhänger Lafontaine für einen „guten Bundeskanzler“. Die REPs selber sind „fest davon überzeugt“, so ihr eingeflogener Wahlhelfer Klaus Matern von der Bundesprogrammkommission, „daß wir in den Landtag kommen“.