Ging der Schalck im BND um?

Der DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski ist nach seiner Freilassung an unbekanntem Ort / Der Berliner Generalstaatsanwalt äußerte Zweifel am rechtsstaatlichen Verfahren in der DDR, aber diese hatte eine „Rückführung“ nach West-Berlin bereits zugesagt  ■  Aus Berlin Ute Scheub

Obwohl die Generalstaatsanwaltschaft in der DDR jede gewünschte Zusicherung für ein rechtsstaatliches Verfahren gegeben hatte, hat West-Berlins oberster Staatsanwalt Dietrich Schultz den DDR-Waffenhändler Alexander Schalck -Golodkowski einfach laufen lassen. Schalck verließ seine Einzelzelle am Dienstag mit unbekanntem Ziel.

Das erhärtet den Verdacht, daß Schalck unter der schützenden Hand des Bundesnachrichtendienstes stand. Bevor er sich am 6.Dezember 1989 freiwillig in einer Westberliner Haftanstalt stellte, war er einige Tage verschwunden - in Pullach beim Geheimdienst? Auch der Westberliner Generalstaatsanwalt gab der taz in einem Interview an, ihm seien bei einem Besuch am 19.Dezember im BND „Fakten“ bekanntgegeben worden, die eine Auslieferung an die DDR in Frage stellten. Er dürfe darüber „leider nichts ausplaudern“. Weil nun die Gefahr bestehe, daß der Devisenbeschaffer in der DDR wegen nachrichtendienstlicher Tätigkeiten angeklagt werden könnte, hätte er nicht ausgeliefert werden können.

Die DDR-Behörden hatten Schalck international suchen lassen. Im Haftbefehl wurde ihm zur Last gelegt, daß auf seine Anweisung 1977 und 1980 für den inzwischen inhaftierten DDR-Wirtschaftslenker Günter Mittag und dessen zwei Töchter Häuser auf Kosten des Außenhandelsministeriums gebaut worden sein sollen. Das sei „Untreue zum Nachteil sozialistischen Eigentums in schwerem Fall“.

Den Vorsitzenden des Volkskammer-Untersuchungsausschusses, Dr.Töplitz (CDU), „befremdet außerordentlich“, daß sich die Westberliner Justiz auf den BND beruft. Das provoziere nur den Verdacht, daß die Nichtauslieferung politisch begründet sei. Allerdings: Nicht nur die unmittelbaren Untergebenen von Schalck-Golodkowski, auch der Apparat der SED-PDS sind über dessen Freilassung möglicherweise recht glücklich. Ein öffentlicher Prozeß mitten im Wahlkampf hätte wohl noch einige andere Sumpfblüten des korrupten Parteiapparats sichtbar gemacht. Bundesdeutsche Sicherheitsbehörden freuen sich wahrscheinlich nicht minder - ihre mögliche Verstrickung in Schalcks Geschäfte bleibt nun ebenfalls verborgen. Mehr auf S. 6, Kommentar S. 10