Die Integration geht weiter

■ Im Europäischen Währungssystem erhält die Lira eine normale Bandbreite

Das Europäische Währungssystem ist seit Montag um einen Sonderfall ärmer. Nun darf auch die italienische Lira nicht mehr um die bisher zugestandenen sechs Prozent gegenüber den anderen Währungen schwanken, sondern nur noch um die üblichen 2,25 Prozent. Zwar wird der italienischen Wirtschaft weithin keine entsprechende Stabilität zugestanden, so daß mit weiteren Veränderungen im Wechselkurssystem zu rechnen ist. Unter dem Gesichtspunkt der europäischen Integration ist der Verzicht auf die erweiterte Bandbreite dennoch bemerkenswert.

Denn er zeigt, daß die Integrationsanstrengungen in Westeuropa auf der fachlichen Ebene unverdrossen weitergehen, obwohl seit den Veränderungen im ehemaligen Ostblock vielerorts eine politische Verlangsamung des Prozesses diskutiert worden war, weil sich vor allem die bundesdeutsche Politik und die hiesige Wirtschaft jetzt stärker auf den Osten ausrichten würden. Gelegentlich wurde in linken Kreisen sogar schon eine Neubewertung der EG gefordert, weil sie noch der mächtigste Verbündete gegen den wiedererstarkenden deutschen Nationalismus sei. So absurd wäre die Forderung nicht, wenn das Binnenmarkt-Projekt tatsächlich durch den neuen Blick nach Osten gefährdet und der sozusagen „politische“ Rest in einem antinationalistischen Sinn funktionalisierbar wäre. Doch der Beschluß der italienischen Regierung auf die Sonderrechte der Lira und die Zustimmung der EG-Finanzminister belegen erneut, daß die Integration weitergeht. Unter solchen Bedingungen hieße es, den Teufel Großdeutschland mit dem Beelzebub EG auszutreiben.

Zumal die Vollmitgliedschaft der Lira den Druck auf Maggie Thatcher weiter erhöht, das Pfund endlich in das EWS einzubringen und damit auch die britische Währungspolitik den Stabilitätsvorstellungen der Bundesbank und ihrem finanzpolitischen Credo anzunähern. Längerfristig dürfte damit auch ein Übergangsmodell für die spanische Pesete erprobt werden, die erst seit dem Sommer im EWS ist und jetzt die einzige Währung darstellt, die über den Sechsprozenter verfügt. Und dann darf die Frage erlaubt sein, ob nicht die Mark der DDR in einer ungleich stabileren Verfassung ist als der portugiesische Escudo und die griechische Drachme, beide noch nicht Mitglieder im EWS. Gerade hat EG-Kommissionspräsident Delors in Dublin erläutert, daß eine demokratische DDR sehr wohl in der EG ihren Platz haben könne, weil die DDR-BewohnerInnen Deutsche seien. Dann haben wir „auf deutschem Boden“ beides: Teufel und Beelzebub.

Dietmar Bartz