Computerspiele bald kopierbar?

■ Vorstoß des rheinland-pfälzischen Justizministers für neue Regelung des Urheberrechtes / Nicht mehr alle Computerspiele als „geistige Leistung“ schützenswert

Mainz (taz) - Immer häufiger ermittelt die Polizei in Kinderzimmern nach illegalen Kopien von Computerspielen. Die Zahl der Fälle steigt drastisch. Zu Gerichtsverfahren indes kommt es selten - wegen Geringfügigkeit. Was bleibt, ist der Tratsch der Nachbarschaft, die sich über den Polizeieinsatz bei Müllers oder Meyers den Mund zerreißt.

Diese unötige Kriminalisierung von Kindern und Jugendlichen will der Mainzer Justizminister Peter Caesar stoppen - per Initiative in der Justizministerkonferenz: Danach sollen billig aufgemachte Computerspiele künftig ganz legal kopierbar sein, was bisher - selbst für den Privatgebrauch strikt verboten war. Eine Clearing-Stelle soll eine Liste aller Computerspiele führen und darin festhalten, welche Programme nach dem Urheberrecht als „geistige Leistung“ schützenswert sind und welche nicht.

Grundlage für Caesars Vorstoß, der auf eine interne Diskussion der Justizminister zurückgeht, ist ein Gutachten des Münchener Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht. Dessen Professoren Michael Lehmann und Jochen Schneider testeten die verschiedensten Programme. Ihr Ergebnis: Nicht alles, was blinkt, verdient den Schutz des Gesetzes. Die drastische Konsequenz: Nur noch Computerspiele, die strenge Auflagen erfüllen, sollen künftig unter dem Schutz des Urheberrechts stehen.

Lehmann und Schneider legen strikte Maßstäbe an, um zu messen, ob eine „persönliche geistige Schöpfung mit dem Programm verbunden ist“, wie der zuständige Mainzer Justizreferent Helmut Pandel erklärte.

So soll der Hersteller künftig dafür sorgen, daß er die Software mit einem sicheren, nicht nur banalen Kopierschutz versiegelt - wenn er sie denn für schützenswert hält. Ferner muß er eine umfangreiche Bedienungsanleitung beifügen, die über die Erklärung der Spielregeln hinausgeht. Vogelfrei soll künftig Software sein, die alte Gags nur neu kombiniert. Wenn etwa der Bildschirm-Rambo statt des Gorillas nun ein Krokodil erlegen muß, so sei das nicht gerade eine „geistige Neuschöpfung“, meint Pandel. Im Grunde hätten die Erschaffer solch simpler Spiele selbst Ideenklau begangen.

Die „Clearing-Kommission“ a la Caesar soll künftig als juristischer Dreschflegel die Spreu vom Weizen trennen. Staatsanwaltschaft und Polizei können sich jeweils dort kundig machen, um zu entscheiden, ob sie zum Durchsuchungs -Halali blasen. Früher richteten die Ermittler offenbar in ihrem Übereifer familiären Flurschaden an, „brach die Durchsuchung“, so Caesars Pressesprecherin Reischauer, „unnötig in integere Familien ein“. Und das in 80 bis 90 Prozent der angezeigten Fälle, die sich im Schneeballverfahren anhäufen.

Gab es von 1985 bis in die erste Hälfte 1988 nur 300 Anzeigen, so stieg diese Zahl allein im zweiten Halbjahr 1988 um 350 und bis Juni 1989 nochmals um fast 600 Fälle. Der Großteil der Verdächtigen waren Kinder, Jugendliche und Heranwachsende. Nur in zwei Prozent der Fälle kam's tatsächlich zum Prozeß, der Rest wurde eingestellt - ohne jedoch die Vorurteile der Nachbarschaft zu beseitigen. Die betroffenen Kinder und Jugendliche blieben als Kriminelle gebrandmarkt. Die Wiederholung solcher Fehler will Caesar mit der neuen Regelung vermeiden. Bundesweit.

Der Mainzer Vorschlag macht derzeit bei den Justizministern die Runde. Laut Caesars persönlichem Referenten Maiborg liegen noch keine Reaktionen vor. Auf der nächsten Justizministerrunde im Mai aber soll eine Entscheidung fallen. Sollte der Bund nicht mitziehen, will Minister Caesar den Alleingang wagen - der Computerindustrie zum Trotz. Ministerialrat Pandel, der wenig auf Computerspiele gibt: „Da können die noch so aufheulen.“

Joachim Weidemann