Studentenzimmer nur noch im Kongreßhotel?

Wegen vermeintlicher Einsturzgefahr standen jahrelang zwei Betontürme der Ruhr-Universität Bochum leer / Jetzt sollen die Türme verkauft und als Kongreß-Hotel mit Ruhrblick ausgebaut werden / Studenten besetzten den Betonkoloß / Asta „darf“ Makler werden  ■  Aus Bochum Petra Höfer

Sie stehen draußen vor der Stadt, auf der grünen Wiese: zwei abgetakelte Betonklötze im Nieselregen, zwei von zwölf nahezu identischen kastenförmigen Türme, durch deren karge Sechziger-Jahre-Flure gemeinhin die mittlerweile 36.500 Studenten der Ruhr-Universität Bochum (RUB) zum Examen schreiten, und in deren überfüllten Seminarräumen Anträge auf Rauchverbot ebenso zur ersten Vorlesungsstunde gehören wie die hastige Organisation zusätzlicher Sitzmöbel aus den umliegenden Fluren.

Doch die zwei Nieselregen-umflorten Schabracken sind anders als die anderen zehn Klötze der Ruhr-Universität: Sie befinden sich seit 20 Jahren im Rohbau. Bergsenkungen, so ein seit Generationen kursierendes Gerücht, hätten die Statik der Gemäuer durcheinandergebracht. Betreten sei nur unter Lebensgefahr möglich. Vergangenen Mittwoch aber wurde einer der einst als Klinikum und zahnmedizinische Fakultät geplanten Betontürme (RUB-Code: MB- und MC-Gebäude) für einen Tag besetzt. Grund: Seit gut einer Woche gehört der „MC„-Turm einem Göttinger Bauunternehmer. Der will die nie genutzten Uni-Hallen in ein Kongreß-Hotel mit Restaurationsbetrieb umwandeln, nebst Appartement-Anlagen mit Ruhrtal-Blick - für Gastdozenten. Kosten: etwa 45 Millionen Mark. Ein Viertel Betonklotz, so zumindest der letzte Verhandlungsstand, soll Studenten zur Verfügung stehen. Ein Viertel der Gesamtfläche, das sind rund 160 Wohnheimplätze, sollen für Studenten bereitgestellt werden, 140 weitere versucht die RUB gerade nachträglich durchzusetzen.

Weil aber noch 500 Bochumer Erstsemester (darunter 320 ausländische Studienanfänger) dringend eine Unterkunft suchen, hatten „Panzerknacker„-Studenten am Mittwoch den Koloß gestürmt. Sofas, Ghettoblaster, Sektflaschen, befreundete Pop-Bands und über tausend Kommilitonen wurden auf den angeblich so unsicheren Fluren verteilt und - man staune: Das Gebäude hielt. Daß der Abriß der 40.000 Quadratmeter Nutzfläche bietenden Gebäude tatsächlich zur Debatte stand, davon spricht man heute angesichts des regen Käuferinteresses nicht mehr gerne.

„Seit Jahren“, so Uni-Sprecher Schulte-Middelich, „werden die beiden Gebäude wie Sauerbier angeboten. Nutzungskonzepte der Uni aber lehnt das Land regelmäßig ab. Selbst die Sparlösung, wenigstens die Hälfte des MB-Gebäudes für 20 bis 25 Millionen Mark zu Seminarräumen auszubauen, scheiterte daran, daß nie Geld dafür zur Verfügung stand.“

Der MB/MC-Komplex nämlich ist seit 1974, als das Bochumer Klinikum endgültig gestrichen worden war, nicht mehr Eigentum der RUB, sondern untersteht der Vermögensverwaltung des Landes. Seit zwei Dekaden werden die Mediziner-Türme dementsprechend höchstens als Schattenspender für die zugeparkte Buckelpiste dazwischen genutzt. Tiefgarage und Parkhäuser der RUB platzen aufgrund des hohen Anteils an Pendler-Studenten aus dem ganzen Ruhrgebiet, Müster- und Sauerland seit Jahren aus allen Nähten. Immerhin: Wenn das Gebäude nun den Eigentümer wechselt, dürfen sich wenigstens Kraftfahrzeugbesitzer über den „MC-Deal“ freuen. Der Göttinger Bauunternehmer nämlich zahlt in Naturalien: Für eine Million Mark baut er der RUB 375 Parkplätze.

Das MB-Gebäude dagegen, zweiter Rohbau auf Universitätsgelände, wird demnächst von einer Betreibergesellschaft (IHK, Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Städte) für 42 Millionen Mark zum Technologiezentrum ausgebaut. Ein Viertel davon geht an die Uni, drei Viertel an den freien Markt universitätsnaher Forschung. Obwohl, so Asta-Vorsitzende Kirsten Husemann, in anderen Fachbereichsgebäuden bereits Stauräume auf den Fluren und Treppenzonen in Cafeteria-Nähe zu Seminarräumen umfunktioniert werden müssen, hält Schulte-Middelich ein solches Vorgehen „unter den gegebenen Umständen für sinnvoll“.

Kirsten Husemann: „Dringlicher wären natürlich Mensa -Ausbau, Kindertagesstätte, Seminarräume und Wohnheimplätze. Man kann an der RUB in bestimmten Fächern nicht mehr nach Studienordnung studieren. Hier sitzen mittlerweile 37.000 Studenten auf 17.000 Studienplätzen.“

Zur Wohnungsnot bekam der Asta unlängst einen Lösungsvorschlag aus Bad Hersfeld. Ein dortiger Immobilienhändler will am Uni-nahen Hustadtring eine Appartementanlage bauen - mit studentischen Eigentumswohnungen zum überaus studentischen Preis von 3.200 Mark pro Quadratmeter plus 5.000 Mark für den Parkplatz und 14.000 Mark für die Tiefgarage. Für die Vermittlung der Reiche-Eltern-Wohnungen an Studenten der Ruhr-Universität wurden dem Asta sogar 3.000 Mark pro Abschluß in Aussicht gestellt. „Wir haben zwar vielfältige Aufgaben“, so Asta -Sprecherin Kirsten Husemann, „dazu gehört aber sicherlich keine Makelei.“