Demokratische Augenwischerei

Im Sudan ist nach dem Putsch von Juni der Frieden genauso fern wie zuvor / Guerilla werden in Verhandlungen nicht einbezogen / Das Land ist auf dem Marsch in einen islamischen Staat  ■  Aus Nairobi Christa Wichterich

Wenn von Mann zu Mann, von Kämpfer zu Kämpfer verhandelt wird, dann kann der Frieden nicht weit sein. Mit dieser Sprechblase trat Omar Hassan El Bashir nach dem Putsch vom 30.Juni auf die politische Bühne des Sudan. Der Fallschirmbrigadier, der sich selbst durch den unblutigen Staatsstreich mit einem Schlag zum General, obersten Befehlshaber der Armee, Verteidigungsminister und Staatschef putschte, geizt mit voreiligen Erklärungen genauso wenig wie mit Ämtern.

Drei Monate nachdem El Bashir den Frieden zum obersten Ziel seiner Regierung der „nationalen Rettung“ erklärt hat, ist die leichtfertige Geschwätzigkeit zwar geblieben, der Frieden jedoch keinen Meter näher gerückt.

So rasch wie Parteien, Gewerkschaften und Zeitungen verboten wurden, so schnell war El Bashir auch mit populistischen Aktionen und Ankündigungen bei der Hand: das Volk solle in einem Referendum über die Sharia, die islamische Rechtsprechung, entscheiden, die Südsudanesen sollten frei wählen können zwischen Autonomie und Förderation. Das Verbot für Gewerkschaften ist unterdessen wieder aufgehoben worden.

Doch im Sudan überschattete sehr bald die Frage zum politischen Standort und der Perspektive der Junta die Hoffnung auf eine umgehende Beendigung des sechsjährigen Bürgerkriegs im Süden.

Öffentlichkeitswirksam ging die Regierung erst einmal der Korruption und dem Schwarzhandel an den Kragen: Lager mit gehorteten Waren wurden aufgespürt, Preiskontrollen verkündet, Spekulanten und Schwarzhändler verhaftet, drei Militärgerichte zur raschen Aburteilung von korrupten ehemaligen Regierungsbediensteten eingesetzt. Gerade wurden zwei Minister der alten Regierung wegen Unterschlagung zu Gefängnis und Geldstrafen in Millionenhöhe verurteilt. Gleichzeitig säuberte die Junta Armee und Polizei und 57 Richter, die Eingriffe in die unabhängige Justiz kritisiert hatten, wurden entlassen.

Der Anschein, daß die Militärs mit den islamischen Fundamentalisten keine gemeinsame Sache machen wollten, hatte von Anfang an Pferdefüße. Zwar wurde der Chef der Nationalen Islamischen Front (NIF) Turabi inhaftiert, doch in dem 21köpfigen Zivilistenkabinett sitzen acht sowie bekannte Sympathisanten der NIF. Ähnlich stark ist ihre Präsenz in der 15köpfigen Junta. Die von der NIF kontrollierte Studentengewerkschaft ist die einzige, die nicht verboten wurde. Der Vorschlag einer Volksabstimmung über die Sharia ist demokratische Augenwischerei in einem Land, in dem 60 Prozent der Bevölkerung Muslims sind. Die Anhänger animistischer Religionen und die Christen würden als Minderheit zweifellos überstimmt werden. John Garang, Chef der südsudanesischen Befreiungsarmee SPLA, äußerte dann auch bereits Mitte August die Befürchtung, daß die Junta auf einem klammheimlichen Marsch in den islamischen Staat sei. Wilde Entschlossenheit zeigte die Regierung, wo es um überhöhte Preise für Tomatenmark ging, die Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen mit der SPLA ging sie dagegen äußerst halbherzig an. Die SPLA will die Verhandlungen auf Grundlage des Friedensplans fortsetzen, auf den sie sich im letzten November mit der Partei der Demokratischen Unionisten geeinigt hat und der vor dem Putsch auch von der Regierung Sadik el Mahdis im wesentlich akzeptiert wurde. Die Junta lehnt diesen Plan jedoch ab.

Entsprechend kurz und erfolglos verliefen deshalb die Gespräche zwischen Vertretern der Junta und der SPLA am 20.August in Addis Abeba. „Wir erzielten Übereinstimmung, daß wir nicht übereinstimmen“, resümierte Lam Akol, Delegationsleiter der SPLA, das Treffen. Nach seiner Meinung verfüge die Junta über keinen Friedensplan.

Die Regierung in Khartoum verlängerte jedoch nach den gescheiterten Verhandlungen den Waffenstillstand, der seit April im Südsudan besteht. Sicher auch ein Zeichen des guten Willens angesichts des wachsenden Unmuts in der Bevölkerung von Khartoum. Denn nicht nur die Hoffnung auf einen schnellen Frieden, sondern auch die auf eine bessere Versorgung ist längst gestorben. Der Schwarzmarkt, der den Alltag bisher am Laufen hielt, ist zusammengebrochen; für Zucker und Brot, die Grundnahrungsmittel der Sudanesen, stehen die Khartoumer stundenlang an, Seife und Zahnpasta sind knapp, vor den Tankstellen warten lange Autoschlangen. Der Nachschub an Waffen - aus Libyen und dem Irak wie Gerüchte besagen - scheint besser zu fließen.

Starke Sprüche und viel Wirbel veranstaltet die Regierung nun auch wieder seit Mitte September. Denn sie muß Friedenswillen zeigen, um die internationalen Geberorganisationen bei der Stange zu halten. 500 Millionen Dollar Entwicklungshilfe fließen jährlich aus dem Ausland in den Sudan. Mit 13 Milliarden Dollar Auslandsschulden steht das Land in der Kreide. So hat die Junta denn eine einmonatige Friedenskonferenz in Khartoum einberufen und dazu auch SPLA-Boss Gerang geladen. Der weigert sich, an dieser „Werbeveranstaltung“ teilzunehmen und verlangt, daß zuerst der Ausnahmezustand aufgehoben, die Sharia zuspendiert, das Verbot der Parteien, Gewerkschaften und Presse rückgängig gemacht und die Säuberungen in Armee, Polizei und Justiz eingestellt werden.

Rund hundert Diskutanten sollen in der von den Chinesen gebauten Freundschaftshalle am Zusammenfluß von Weißem und Blauem Nil bis zum 13.Oktober über den Frieden reden allerdings ohne einen Vertreter der SPLA. „Die SPLA repräsentiert nicht den Süden. Wir können nicht wegen ein oder zwei Leuten die Konferenz verzögern“, meinte zu Konferenzbeginn der Verhandlungsführer der Junta, Al-Amin Khalifa. „Das Ganze ist eine Farce“, sagt James Duko, Leiter der SPLA-nahen Hilfsorganisation für den Südsudan in Nairobi. „Sie spielen mit der Politik. Aber so können sie den Frieden nicht herbeireden.“