Goldene Zeiten für großes Geld

■ Der Altbörsianer Andre Kostolany über rot-grüne Mehrheiten und russischen Reichtum

An der deutschen Börse geht es, Wirtschaftsboom hin und her, ausgesprochen ruhig zu. Sagt der kleine Mann, und: „Sie wollen wissen, warum? Ich sag‘ es Ihnen.“ 81 Jahre ist er alt, und redet und redet und redet, zwei lange Stunden ohne Manuskript, aber mit Freude an den eigenen Bonmonts. Andre Kostolony heißt der alte Herr, ist von Geburt Ungar, wohnt in Frankreich, besitzt einen amerikanikschen Paß und behauptet von sich seit 70 Jahren an der Börse tätig und nebenbei als „Wanderprediger für einen sauberen Kapitalismus“ unterwegs zu sein. Warum also geht es der deutschen Börse nicht so gut? Ein Grund, sagt der saubere Kapitalist, seinem gutbetuchten 400köpfigen Publikum in der Bremer Sparkasse, weil „die Deutschen“ eine psychotische Angst vor einer rot-grünen Koalition haben: „Warum soll ich Aktien kaufen, in einem Land in dem so etwas möglich ist?“. Eben.

In Amerika, da sind Demokraten und Republikaner „alles dasselbe.“ Da läßt sich Geld verdienen, daß es nur so eine Freude ist. Obwohl, so ernst muß man das mit der Politik nun auch nicht nehmen. „Rot-grün, das würde auch nicht viel ändern. Und außerdem würden die auch wieder verjagt. So wie jetzt in Ungarn die Kommunisten.“

Doch mal abgesehen von der unkalkulierbaren bundesdeut schen Politik stehen den Kapitali

sten aller Herren Länder goldene Zeiten bevor, sagt Kostolany. Der Kommunismus, der hat den totalen Bankrott angemeldet. Und jetzt müssen die Russen importieren, daß den Unternehmern im Westen noch Jahrzehnte die Kasse klingelt. „Wenn die alles kaufen könnten, was sie brauchen, was wäre da zu verdienen!“ Können sie nicht, weil es an Devisen fehlt, macht aber auch nichts. Dann gibt es eben Kredite, da wird doppelt verdient. Ein Risiko für die Banken ist das nicht: Denn „die Russen“ sind unglaublich reich, auch wenn sie kein Geld haben und: „Ein Russenwechsel ist noch nie geplatzt.“

Kein Zweifel. In der Welt der Unternehmer und der Geldanleger, wie sie Kostolany malt, herrschen rosarote Zeiten. Auch, weil der europäische Binnenmarkt schon jetzt eine eigene Dynamik entwickelt. Was Europa '92 einmal wird, weiß niemand so recht, aber jeder will dabei sein, sagt

Kostolany und erzählt dazu eine Geschichte: Da war einmal ein Ort, der hieß Dologo. Dort ließ eine Bank heimlich nach Gold suchen. Eine Fehlinvestition, denn es gab kein Gold in Dologo. Da streute die Bank das Gerücht in Dologo gäbe es Gold und ging mit großen Tamtam an die Börse. Und die Menschen zogen nach Dologo bauten Häuser, begannen das Leben zu organisieren und wurden wohlhabend, auch ohne Gold. 10 Jahre später feierten sie ein Fest und enthüllten eine Statue für den wissenschaftlichen Irrtum. Und just in diesem Moment gab es eine Explosion und eine Ölfontaine schoß in die Luft. „Dologo, das ist Europa '92.“ Und angesichts dieser Aussichten, findet Kostolany, kann man die Dinge ruhig bei ihrem richtigen Namen nennen: „Sie“, sagt er zu den Bankern und Unternehmern, „Sie nennen es Freie Marktwirtschaft. Ich sage was es ist: Kapitalismus“

hbk