Sebastian Cobler ist tot - ein radikaler Demokrat und Jurist

■ Stationen seiner „funkelnden Streitbarkeit“ als Anwalt und Publizist: Menschenrechte, Russel-Tribunal, Startbahn West, Stammheim und Memmingen

Er war einer, wie sie in deutschen Landen immer noch selten sind: ein Publizist und Verfassungsjurist, der die Demokratie mit leidenschaftlicher Streitlust gegen alle Versuche von rechts verteidigte, sie zur FdGO zuzurichten, um sie anschließend dem Volke besser austreiben zu können; ein Strafverteidiger, der sich an der Seite seiner Mandanten mit Umsicht und Scharfsinn für die Selbstbeschränkungen des Rechtsstaates engagierte, wo immer die Staatsmacht sich daran machte, sich den Rechtsstaat zu unterwerfen. Ein Linker, der aber auch einer Linken mißtraute, die glaubte, es im Interesse des revolutionären Wohls der Menschheit mit den Menschenrechten und dem rechtsstaatlichen Schutz der Menschenrechte nicht immer ganz genau nehmen zu müssen.

Ob als Publizist, Verfassungsjurist oder Strafverteidiger: Sebastian Cobler engagierte sich immer für den Schutz der Bürger- und Menschenrechte und gegen jenen teutonischen Staatsfetischismus, der sich den Staat noch allemal als Schutz- und Trutzburg gegen die Inanspruchnahme dieser Rechte wünscht.

Als in den siebziger Jahren jene Allparteienkoalition, die damals als „Solidarität der Demokraten“ firmierte, die vereinigten Staatsgewalten gegen den Rechtsstaat losließ, gehörte Sebastian Cobler zu den tatkräftigsten und engagiertesten Mitorganisatoren des internationalen Russel -Tribunals zur Lage der Bürger- und Menschenrechte in der Bundesrepublik. Als ein entfesselter Generalbundesanwalt 1981 in schlechtester deutscher Verfolgungstradition jedes Augenmaß verlor und in den Auseinandersetzungen um die Startbahn West einen Alexander Schubart im Anschluß an einen öffentlichen Aufruf zu gewaltlosem zivilem Ungehorsam als angeblichen Nötiger von Verfassungsorganen und Landfriedensbrecher vor Gericht brachte, engagierte sich Sebastian Cobler mit Verve und Tatkraft als Verteidiger Schubarts. Daß die Verurteilung Alexander Schubarts auch heute noch immer nicht Bestandkraft hat, sondern dem Bundesverfassungsgericht das notwendige verfassungsrechtliche Kopfzerbrechen bereitet, verdankt sie vor allem auch dem Einsatz und der Gedankenkraft Coblers.

In Stammheim kämpfte er gegen die Veräußerlichkeit der Rechte seines Mandanten Peter-Jürgen Boock und für ein Verständnis von strafrechtlicher Schuld, in dem nicht die Haftungsgrundsätze aus dem Recht der Kapitalgesellschaft das Sagen haben.

Zuletzt bemühte sich Sebastian Cobler als Verteidiger im berüchtigten Memminger Hexenprozeß (nur vorläufig vergeblich, wie zu hoffen und zu vermuten steht), einer bayerischen Staatsjustiz, deren Versuchungen im Vorfaschismus bereits 1923 in Lion Feuchtwangers Erfolg anschaulich beschrieben wurden, zur Höhe des modernen Rechts - und Verfassungsstaates zu verhelfen.

In einer Vielfalt von Gutachten und publizistischen Beiträgen stritt er für eine strikte rechtsstaatliche Selbstbeschränkung und Kontrolle staatlicher Eingriffsbefugnisse und gegen den autoritären Sicherheitsstaat, wie er seit den siebziger Jahren von Bonn aus betrieben wird.

In der Bundesrepublik gehörte Sebastian Cobler zu den bedeutendsten Repräsentanten jener Minderheit streitbarer Juristen, die sich im Zweifel immer gegen die Macht des Staates und für die Sache der Demokratie und des demokratischen Rechtsstaates engagieren. Anläßlich ihres zwanzigjährigen Bestehens hat die Zeitschrift 'Kritische Justiz‘ im vergangenen Jahr die radikaldemokratische Minderheitstradition, die Sebastian Cobler als Jurist mit seinem Denken und seiner Arbeit fortsetzte, in dem Biographieband Streitbare Juristen eindrucksvoll porträtiert.

Nicht nur im Lager der radikalen Demokraten werden die demokratische Leidenschaft, der Scharfsinn und die funkelnde Streitbarkeit Sebastian Coblers bitter fehlen.

Rupert von Plottnitz, 26.9.1989