Zünftige Radler-Maß

■ 40. Radrennen der Amateure am Neuköllner Rollberg / Der Verlierer schleppt die meisten Prämien ab, der Berliner Sieger Andreas Schulz die Lorbeeren

Noch bevor der Startschuß zum 40.Rollbergrennen der Radamateure in Neukölln fällt, herrscht am Start und Ziel in der Karl-Marx-Straße Hochstimmung. Schon um zehn Uhr, eine halbe Stunde vor dem offiziellen Beginn, vertilgen die Fans Unmengen an Bier und Schnaps. Rotnasige Radfreaks mit verräterisch dünnen Beinchen verteilen das Programmheft; ein Leierkastenmann („Ich bin der einzige Berliner, der eine Macke hat“) treibt die Stimmung gen Siedepunkt, indem er den „Sportpalastwalzer“ kurbelt. Mit wenigen Minuten Verspätung schickt Bezirksbürgermeister Frank Bielka (SPD) („Ich habe mit Bilka allerdings nichts zu tun“) die 131 Fahrer auf die Distanz von 80 Runden zu je 1,5 Kilometer: zunächst den C -Kader, dann den B-Pulk und schließlich die vermeintlich Besten.

Mieczeslaw Mazurek, Exilpole vom Veranstalter NRVg Luisenstadt, ist offensichtlich übermotiviert. Der gewitzte A-Fahrer startet klammheimlich im B-Feld, muß jedoch ausgleichende Gerechtigkeit? - das Rennen bald wegen eines Sturzes aufgeben. Sein Pech, schließlich geht es um rund 25.000 Mark Prämien, gesplittet in 2.000 Mark für den Gesamtsieger sowie Sach- und Geldpreisen, sogenannte durchlaufende Prämien, die nach Rundenwertungen vergeben werden. Neben Berliner Geschäftsleuten zeigt sich vor allem die Neuköllner SPD in Spendierhosen.

Das Rennen nimmt zunächst den erwarteten Verlauf. Bald haben die Spitzenfahrer die vor ihnen gestarteten Akteure eingeholt. Mit schöner Regelmäßigkeit holt Michael Schenk von „Olympia Dortmund“, der oftmalige Deutsche Meister, die Rundengewinne: einen Videorecorder, ein Mountainbike, eine Solararmbanduhr. Erst die Aufholjagd von Andreas Schulz (RC Charlottenburg) sorgt für verdienten Applaus des zahlreich erschienenen Publikums, ohne daß jemand am Sieg Schenks zweifeln würde.

Aber urplötzlich, zehn Runden vor Schluß, fährt der Berliner alleine an der Spitze - die lange Zeit führenden Schenk, Zdzislaw Wrona (Regensburg) sowie Christian Lamczyk (RC Charlottenburg) folgen mit 45 Sekunden Abstand.

Unter dem Jubel des Publikums darf Sieger Schulz nach zweidreiviertel Stunden dem SFB ein Interview geben. Wrona wird Zweiter, Lamczyk Dritter. Der eigentliche Gewinner heißt jedoch Michael Schenk. Fast 5.000 Mark an Sachpreisen darf er mit an die Ruhr nehmen.

Jürgen Schulz