Grüner Streit um DDR

Siggi Friess, MdB der Grünen, Mitglied im innerdeutschen Ausschuß, plädiert für Zweistaatlichkeit  ■ I N T E R V I E W

taz: Alfred Mechtersheimer hat den Grünen ein neues Ei ins Nest gelegt. Sie dürften nicht länger „die Zementierung der Zweistaatlichkeit“ fordern, sondern müßten für ein „neu vereinigtes Deutschland arbeiten“, forderte Mechersheimer gestern in einem 'Bild'-Interview. Wie lange ist der Mann noch tragbar?

Siggi Friess: Das kann ich nicht sagen. Seine Äußerungen haben mich nicht erstaunt. Erst vor zwei Wochen hatten wir in der Bundestagsfraktion eine Debatte über Deutsch-Deutsch, bei der Otto Schily zum Beispiel Ähnliches formuliert und sich auch für eine Neuvereinigung eingesetzt. Ich verstehe nicht, mit welchem Interesse die Grünen bei dieser Debatte um Wiedervereinigung mitmischen. Ich finde es total gefährlich, daß die Grünen die Deutschlandwelle von Regierung und SPD mittragen, Parolen mitformulieren, wie sie die Rechten entwickeln.

Was müßten denn die Grünen tun, um ihrerseits eine Verbesserung der Beziehungen zur DDR voranzutreiben?

Das hab ich mich auch gefragt und mich an kritische, ausgebürgerte DDRler gewandt. Sie sagten: Die Bundesregierung betreibt - auch mit Teilen der SPD - eine reaktionäre Politik, will Großmacht in Europa werden. Da geht's zur zeit nicht mehr allein um formale Grenzziehungen, sondern sie versuchen, die Oststaaten wirtschaftlich einzunehmen. Bei Polen ist das an der Frage der Kreditbedingungen sehr deutlich geworden. Im innerdeutschen Ausschuß des Bundestages ist gestern ähnliches für die DDR angesprochen worden. Aus diesen Gründen sagen die Ausgebürgerten: Wir müssen uns den Großmachtbestrebungen widersetzen und weiterhin die Zweistaatlichkeit sowie die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft fordern. Das bedeutet nicht, daß wir das System der DDR gutheißen, sondern nur, daß wir das Faktische - die Teilung Deutschlands als Ergebnis des von den Deutschen angezettelten Weltkrieges anerkennen. Gleichzeitig sollen wir als Grüne emanzipatorische Bestrebungen und Ansätze unterstützen. Das heißt Solidarität mit Gruppen wie dem Neuen Forum zum Beispiel, andererseits Zusammenarbeit in ökologischen und sozialen Fragen.

Interview: Petra Bornhöft