Kochende Seelen beim Davis Cup zu Wasser

Schwimm-Europameisterschaften in Bonn: Ein hungriger Ire, ein aufdringlicher Reporter, viel Volk bei Wasserballerinnen und Kunstschwimmerinnen, Italiens Wasserballer im Zorn, die der BRD im Finale  ■  Aus Bonn Martin Krauß

„Where's the next McDonald's?“ lautet die zeitgemäße Umwandlung der Brechtschen Feststellung „Es macht uns ein Geschwätz nicht satt.“

„Wo ist der nächste McDonald's?“ wollte der Silbermedaillengewinner über 200 Meter Brust bei den Bonner Schwimm-Europameisterschaften, Gary O'Toole aus Irland, wissen. Der Joyce-Landsmann war hungrig nach dem Empfang beim für Sport zuständigen Innenminister Schäuble, und er war hungrig nach einem für das irische Team höchst erfolgreichen Tag. In 2:15,73 Minuten hatte O'Toole angeschlagen, noch vor dem Olympiasieger Josef Szabo aus Ungarn und nur geschlagen von Nick Gillingham aus Großbritannien. Vom Publikum nach vorne gepeitscht, machten die zwei Inselbewohner das EM-Rennen ihres Lebens. Gillingham stellte den erst 14 Tage alten Weltrekord des US -Amerikaners Barrowman mit 2:12,90 Minuten ein, konnte sich auf diesen Lorbeeren aber nicht lange ausruhen. Am Sonntag schwamm Barrowman in Tokio wiederum eine Hundertstelsekunde schneller. O'Toole berichtete nach seinem Erfolg, in ganz Irland gäbe es keine 50-Meter-Bahn, so daß er sich in Arizona/USA vorbereiten mußte. Daher wohl das Bedürfnis, beim Anblick von Schäuble unbedingt in einem McDonald's verschwinden zu wollen.

Daß man von Geschwätz nicht satt würde, ist freilich nur die halbe Wahrheit. Für eine halbe Woche übernahm Michael Groß, der beste Schwimmer der letzten Jahre (und der erste Reporter, der beim Finish geistloser herumbrüllen kann als ARD-Wontorra, d.säzz.), den halben Moderatorenpart beim ZDF

-zuständig fürs Hintergründige und für Interviews. Mit seiner journalistischen Tätigkeit hat sich Groß viel Kritik eingeheimst. Beim Beschaffen der berüchtigten Schnellschußinterviews kurz nach den Wettkämpfen am Beckenrand brachte er die aufgestellten Holztribünen bedrohlich zum wackeln. In Situationen, in denen er selbst sich als Schwimmer jede journalistische Belästigung verbeten hätte - etwa fünf Minuten vor dem Start -, rannte er noch einmal mit einem Kamerateam in den Massageraum, um zu fragen, warum man sich massieren ließe. Nicht einmal die Antwort, daß es auch dem psychischen Einstimmen, der Konzentration diene, konnte ihn schrecken.

Relativ verschont vom Mammut-fernsehprogramm, das die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten 1,5 Millionen Mark gekostet hatte und solche Highlights wie den Sieg der BRD in der 4x100-Meter-Freistilstaffel oder die Silbermedaille von Stefan Pfeiffer über 400 Meter Freistil effektvoll ins Bild setzte, waren die Wettbewerbe im Frauen-Wasserball und im Kunstschwimmen. Weder im für die Wasserballerinnen reservierten Hardtbergbad - vis-a-vis des „Verteidigungsministeriums“ - noch im Frankenbad - einziges Hallenbad dieser, trotz Bundesdorf, EM der langen Wege waren Kameras installiert. Vor zumeist ausverkauftem Haus bemühten sich die gern als „Nixen“ titulierten Unterwasser -Tänzerinnen aus Europa, den Abstand zu den dominierenden USA und Japan zu verringern. Mittel zum Zweck ist der vermehrte Einsatz klassischer Musik anstelle von Rockrhythmen - Abendland, ick hör‘ dir trapsen. Erste wurden die Publikumslieblinge aus Frankreich, die beim Finale sogar Szenenapplaus von der Konkurrenz bekamen, vor der Sowjetunion. Pfiffe gab es für die drittplazierten Schweizerinnen, die vom rein weiblichen Kampfgericht gegenüber den Holländerinnen angeblich zu gut bewertet wurden. Die Siegerehrung wurde dementsprechend oft von gekonnten Jodlern aus niederländischen Kehlen unterbrochen.

Auch die Wasserball-Frauen hatten häufig ausverkaufte Ränge. Mit Leichtigkeit qualifizierten sich die favorisierten Niederländerinnen für das Finale, das sie gegen Ungarn mit 14:11 gewannen. Das BRD-Team, das eigentlich auf den vierten Rang gehofft hatte, ist auch mit Platz fünf sehr zufrieden. Endlich soll eine finanziell abgesicherte, langfristige Arbeit möglich werden. Zumindest versprach dies der Präsident des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) dem Frauen- Bundestrainer Gerhard Thiedke.

Andere Förderungsmöglichkeiten stehen wohl auch den männlichen Wasserballern ins Haus. Immer nur dann gut, wenn sie diszipliniert spielten, schossen sie sich mit schwankender Leistung ins Finale (nach Redaktionsschluß). Das auf der anderen Rheinseite gelegene Ennertbad war bei BRD-Spielen stets ausverkauft, und es herrschte Davis-Cup -Atmosphäre. Fouls der eigenen Truppe wurden beklatscht, wurden sie geahndet, gab es Pfiffe, und einen Extra-Applaus erhielten die Gegner für Fehlpässe und mißlungene Würfe. Mit solcher Unterstützung machte die BRD einen 3:6-Rückstand gegen die Sowjetunion wett, um mit 10:8 das Finale zu erreichen.

Kurz vor diesem Spiel war es zum Eklat gekommen. Das andere Halbfinale zwischen Italien und Jugoslawien schien entschieden, als bei nur noch wenigen Sekunden Spielzeit die Jugoslawen den Ball führten und ihre 8:7-Führung verteidigen wollten. Doch ein jugoslawischer Spieler verlor den Ball, die Italiener spielten ihn in die Mitte zu ihrem vor dem Tor plazierten Center, der wurde gefoult, der fällige Viermeter bei fünf Sekunden verbleibender Spielzeit aber nicht mehr gegeben. Abschließender Kommentar des Generalsekretärs der Europäischen Schwimm-Liga, Norman Sarsfield: „Die Schiedsrichterleistung will ich lieber nicht kommentieren.“ Die Italiener fanden weit deutlichere Worte.