Frau Irene schweigt zur RZ

Frau Irene SCHWEIGT ZUR RZ

„Begegnungen der 3. Art“ betitelte die 'RZ‘, als radikale Zeitung ebenso „resistent“ wie „zuverlässig“ und also jeden Verdachts einer faulen Anbiederung enthoben, in ihrer aktuellen Nummer „ein Gespräch mit Anja, 24 Jahre, und Frank, 25 Jahre“ von der „Bundesarbeitsgemeinschaft kritischer PolizistInnen e.V.“, deren „Landesgruppe Berlin“ es auf immerhin sieben Mitglieder bringt.

So wenige diese sind, so viel haben sie zu sagen, die 'RZ‘ verhilft dem kritischen Geist exekutiver Gewalt zum Ausdruck: „Das ist auch von unserer Persönlichkeit so, daß wir eben kritisch sind, und das ist auch nicht nur auf der polizeilichen Ebene so, sondern auch privat.“ Lösgelöst von allen ständischen Interessen also strebt die Kritik als Allgemeine zum Besonderen, zur Vision „einer Polizei, wie wir sie gerne hätten.“ Die 'RZ‘: „Das mal doch mal aus!“ Anja: „Das kann ich gar nicht“, kann sie dann aber doch: „Ich möchte, daß sich die Polizei darauf zurückbesinnt, was sie eigentlich ist, nämlich eine Ansammlung von Staatsdienern.“ Ein Staat wiederum „ist eine Ansammlung von Bürgern“, welches Abzählverfahren zu dem Schluß zwingt: „Keine Polizei als Selbstzweck“, vielmehr „eine Polizei, die für den Bürger da ist, die auch für den Bürger transparenter ist, damit er weiß, was er zu erwarten hat.“

Das wußte er zwar bisher nur zu gut, „der Bürger“, die gewünschte Transparenz der Polizei aber könnte ihm zudem zu der Erkenntnis verhelfen, daß jeder Knüppel, der auf ihn niederfährt, von jemanden geschwungen ward und daß also in jeder Uniform ein Mensch, zumal ein „auch privat“ kritischer, stecke: Nach dem 1.Mai „haben wir gesagt, am besten, man redet mal mit den Leuten, mit denen man sich sonst möglicherweise prügelt.“ Und der Knüppel ward Wort und wohnte unter uns in beiderlei Gestalt, so daß „man sich mit den Leuten ganz toll unterhalten hat“, mit denen man sich zuvor ganz doll geprügelt hatte: „Das war natürlich super.“

Der Staatsgewalt einen Unterhaltungswert beizulegen, in den Dualismus von Amt und Person zu verfallen und also angesichts eines Greifkommandos zu unterscheiden zwischen diesem als Greifkommando einerseits und als Interaktionsforum andererseits, diese Individualisierung formaler Macht zieht ein weiteres Moment polizeilicher Selbstrechtfertigung nach sich: In dem Maße, in dem sie von ihrem Gegenüber Geständnisse erwartete, verlangt sie auch Verständnis. Frank über die Vorstellung, den Landesparteitag der REPs zu schützen: „Rein gefühlsmäßig ist das für mich unerträglich! ... Ich hätte da sehr mit mir zu kämpfen, jede Minute, die ich da stehen müßte. Das ist ein wirklich großer Gewissenskonflikt für mich.“

Dieser aber bezeichnet die Menschwerdung der Staatsgewalt, die Verlagerung tatsächlicher Gewalt in ein organisiertes Palaver über sie, idealiter ihre Ersetzung durch friedsames Geschwätz, durch vorauseilende, repressive Toleranz. Die Vision, die in dem Interview der 'RZ‘ mit den kritischen PolizistInnen aufscheint, ist die eines runden Tisches, um den herum sich lauter Menschen, niemals aber FunktionsträgerInnen versammeln, sich wechselseitig ihrer hehren Interessen versichern und etwaige Unstimmigkeiten im verantwortungsvollen Diskurs tarieren. Widersprüche heben sich auf im womöglich als herrschaftsfrei ausgegebenen Gequatsche über sie, um sich desto freudiger zu verewigen. „Für mich sind Steine keine Argumente und große Steine keine großen Argumente“, stellt Frank, der kritische Dienstwaffenträger, kategorisch fest. Ein Polizist, „wie wir ihn gerne hätten“.

hd