Rot-grün überm Hollerland

■ Flaggen markieren, wo im Feuchtgebiet gebaut werden soll / Rendezvous von Janssen und Brückner

Seit Jahren hat er Flugblätter verfaßt, Bremer Medien bearbeitet, Senatoren, Senatsdirektoren oder auch Fraktionsvorsitzende über feuchte Wiesen geführt, hat vor SPD-Ortsvereinen oder GEWOBA-Bossen geredet: genutzt hat dies alles nichts. Jetzt hat er zu Säge und Tuch gegriffen. Die Rede ist von Gerold Janssen, dem nimmermüden Streiter für das Hollerland, jenem Feuchtgebiet, das er zum Naturschutzgebiet erklärt haben möchte, GEWOBA und Senat aber mit Einfamilienhäuschen bebauen und zum bevorzugten Wohngebiet für Begüterte machen wollen.

Jetzt und bis mindestens zum Herbst können sich BremerInnen vor Ort angucken, welch riesige Naturfläche dort dem Wohnungsbau geopfert werden soll. Janssen und einige Mitarbeiter haben rund 50 tote Fichten abgehackt, ein Meter tief im morastigen Hollerlandboden versenkt und an den Spitzen, immer abwechselnd,

große rote und grüne Fahnen befestigt. Die Fahnenmasten markieren die Grenze, bis zu der laut Bebauungsplan gebaut werden darf.

„Im Hollerland sollen keine weiteren Flächen für Wohnen und Gewerbe zugelassen werden“, hatte die SPD 1987 in ihr Wahlprogramm geschrieben. „Die Bebauung des Feuchtgebietes wäre Wahlbetrug“, wettert Janssen deshalb vor den versammelten Medienvertretern. Einer, der damals als SPD -Vorsitzender fleißig an dem Programm mitgeschrieben hatte, Herbert Brückner, war mal eben vorbeigekommen und hielt dagegen. Mit der Aussage sei doch nur gemeint gewesen, daß nicht zusätzlich Naturschutzgebiet zu Bauland umgewidmet wird. Aber das hatte noch nicht einmal Gerold Janssen der

SPD zugetraut. Was soll also so eine Formulierung? Brückner: „In gewisser Weise war die Aussage im Bremen-Plan überflüssig.“

Jetzt, so ganz befreit von der Bürde eines Senators oder eines Parteivorsitzenden, plaudert Brückner aus der Vergangenheit: Damals sei es politisch kaum durchsetzbar gewesen, das was jetzt Naturschutzgebiet ist, zum Naturschutzgebiet zu machen. Denn: Die Neue Heimat besaß dort immerhin Bauland im Wert von 50-60 Millionen Mark. Da sei die gefundene Regelung zwar ein „Riesenerfolg“, aber auch ein „Scheißkompromiß“ gewesen. Denn daß das zu bebauende Gebiet den gleichen Wert hat wie das Naturschutzgebiet, sieht auch Brückner bei „Inaugenscheinnahme.“

Wenn der gerissen formulierte Bremen-Plan schon nichts hergibt, dann glaubt Janssen ein neues Faustpfand in der Hand zu haben: Die inzwischen vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung. Die bestimmt, daß vor der Aufstellung eines Bebauungsplanes der Wert von Flora und Fauna untersucht werden muß. Dann, da ist Janssen fest überzeugt, kann niemand mehr ernsthaft eine Bebauung des Feuchtgebietes und des Hollerlandes wollen. Und auf dem auch zum Bebauungsgebiet gehörenden trockenen Ackerland, da darf selbst nach Janssens Meinung ruhig gebaut werden. „Dieser Kompromiss muß in die Betonköppe rein“, findet auch Herbert Brückner, hat aber aus Erfahrung eine Warnung parat: „Das ist ein schwerer Weg.“

hbk