Kein Wahlrecht auf der „Zetagas“

■ Zweit-Register: Bremisch-philippinischer Arbeitsvertrag vor Gericht / Bei „Ungehorsam“: Entlassung

Ein philippinischer Seemann, der bei der Bremer Reederei Sloman Neptun arbeitet, hat Anspruch auf kostenlose Anti -Baby-Pillen oder empfängnisverhütende Spiralen für seine Frau. Diese Bestimmung enthält der Arbeitsvertrag, den die Reederei mit der Gewerkschaft „Philippine Seafarers Union“ abgeschlossen hat. Gestern vor dem Bremer Arbeitsgericht stand dieser Vertrag im Mittelpunkt. Nicht wegen der Verhüterli, sondern wegen Bestimmungen, die nach Ansicht der ÖTV deutschem Arbeitsrecht und dem Grundgesetz widersprechen.

Zur Erinnerung: Die noble Sloman-Neptun- Reederei war die erste, die von den Möglichkeiten des Zweiten Schiffsregisters Gebrauch machte. Als ihr Tanker „Zetagas“ am 30. Juni vor Stade lag, kam eine Hafenbarkasse längsseits. Sechs deutsche Seeleute wurden von Bord gewinkt, ihre Jobs von philippinischen Kollegen übernommen - für knapp ein Drittel der Heuer und ein Siebentel des Urlaubsanspruchs. Der Betriebsrat protestierte. Sein Prozeßziel gestern:

Die Philippinos sollten wieder von Bord, und die angestammten Kollegen ihre Plätze wieder einnehmen, und zwar sofort. Diese „Eilbedürftigkeit“ mochte Richterin Karla Wendte nicht akzeptieren. Sie verwies den Streit in die gemächlichen Mühlen der Bremer Arbeitsgerichtsbarkeit. Nächster Verhandlungstermin ist der 19. September.

Von dem inkriminierten Tarifvertrag ist dem Betriebsrat erst vorgestern eine Fassung in deutscher Sprache auf den Tisch gekommen. Dem Gericht lag er nur auf englisch vor. Dennoch ging der Streit überwiegend um ihn. Denn er enthält einen Strafkatalog mit 24 Punkten. Links stehen die Vergehen, rechts die Strafen. Punkt 8 heißt: Insubordination und gliedert sich in vier Unterpunkte: „Jeglicher Akt von Ungehorsam gegenüber gesetzlichen Befehlen von Vorgesetzten“ wird mit Entlassung geahndet. „Beleidigung eines Vorgesetzten“ ebenfalls. Was die deutschen Gewerkschafter aber am meisten interessiert: Punkt 1 des Strafkatalogs droht den Rausschmiß jedem See

mann an, der sich in einer anderen als der unterzeichneten „Philipine Seafarers Union“ beitritt. Ebenfalls mit Entlassung muß rechnen, wer „die Beziehungen zwischen Gewerkschaft und Reederei stört“.

Hier sei das Grundrecht der Koalitionsfreiht verletzt, argumentierte Gewerkschaftsanwalt Jürgen Maly gestern vor Gericht. Und ÖTV-Sekretär Michael Blanke: „Seit 1972 gilt auch auf Schiffen das Betriebsverfassungsgesetz. Bis dahin hatten sich die Reeder gesträubt, weil sie meinten, an Bord müsse ein ungekrönter König sein, der Kapitän, und ein Haufen Sklaven. Das glaubten wir überwunden zu haben, jetzt kriegen wir es über das Zweite Register wieder.“

Die philippinische „Union“, die diesen Tarifvertrag mit Sloman abgeschlossen hat, wird von den Bremer Gewerkschaftern nicht als Schwesterorganisation angesehen, sondern eher als Menschenhändler-Club. Die „Union“ vermittele den Reedern komplette Mannschaften und unterzeichnet die Arbeitsverträge, war

zu hören. Einen Job bekomme nur, wer Mitglied der Gewerkschaft ist. Der Gewinn der „Union“ seien die Zwangs Beiträge. Tatsächlich hat sich Sloman Neptun in dem Tarifvertrag verpflichtet, die Gewerkschaftsbeiträge vom Lohn abzuziehen und nach Manila zu überweisen.

Daß auf ihrem Schiff jetzt zweierlei Recht herrscht, daraus macht die Reederei kein Hehl. „Das ist der Sinn des Zweit -Register-Gesetzes“, sagte ihr Rechtsanwalt. ÖTV und Betriebsrat dagegen verlangen, daß die ausländischen Seeleute in punkto Arbeitnehmerrechte nicht auch noch zweite Klasse, sondern mit ihren deutschen Kollegen gleichgestellt werden sollenn.

„Vielleicht hat die Reederei den Vertrag unterzeichnet, ohne ihn genau zu kennen“, mutmaßte Betriebsrat Ziesemer gestern. Horst Budroweit, Leiter der Reederei-Inspektion, widersprach: Sein Unternehmen habe den Vertrag eingehend studiert, ehe er unterschrieben wurde. Das gilt auch für den Paragraphen über die kostenlosen Anti-Baby-Pillen.

mw