Um zehn Uhr morgens kam die Polizei

■ Der Seitenflügel am Fränkelufer 30 wurde gestern geräumt / Wer fehlte? Die AL-Mitglieder / Eichstädt „honoriert“ BesetzerInnenengagement

Der Seitenflügel am Fränkelufer 30 ist ab sofort wieder den Holzwürmern überlassen: gestern morgen gegen 10 Uhr räumte die Polizei das besetzte Gebäude. Da die rund 50 BesetzerInnen, die sich seit dem 18. Juni in der sanierungsbedürftigen Bruchbude aufhielten, stündlich mit der Räumung gerechnet hatten, traf die Polizei nur noch auf einige wenige der HäuserkämpferInnen. Der Rest hatte sich durch diverse Hinterausgänge und über das Dach verflüchtigt. „Seit halb vier Uhr morgens haben wir Wache geschoben. Als wir uns gerade zum Frühstück hingesetzt hatten, mußten die natürlich kommen“, erklärte einer der BesetzerInnen gegenüber der taz. Sie seien dann aber ohne größeren Widerstand gegangen. Von sechs Personen habe die Polizei die Personalien aufgenommen.

Daß der Seitenflügel, der wegen jahrelanger Verzögerung von Instandsetzungsarbeiten durch den Besitzer Hans-Joachim Gertig leerstand, jetzt geräumt wurde, war seit Dienstag vergangener Woche abzusehen. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich die SPD-Fraktion eindeutig für die Räumung ausgesprochen. Die AL hingegen hatte sich dagegen gewandt und bei Vollzug des Räumungsbegehrens, das Gertig gestellt hatte, mit Konsequenzen gedroht - einige Abgeordnete wollten sich mit den BesetzerInnen zusammen räumen lassen. Von der AL war jedoch gestern weit und breit niemand zu sehen. Die AL -Abgeordnete Birgit Arkenstette, früher auch Mitglied des Geschäftsführenden Auschusses, erklärte dazu, daß ein massives Desinteresse ihrer ParteikollegInnen Schuld an der Abstinenz gewesen sei. Die Bereitschaft, aus Solidarität mit den BesetzerInnen morgens früher aufzustehen sei nicht sehr groß gewesen, so Arkenstette. (Siehe auch Interview auf dieser Seite.) Die Diskussionen um die Besetzung seien innerhalb der AL auf halber Strecke stehen geblieben, weil sich plötzlich keiner mehr dafür zuständig gefühlt habe. Daß die Räumung erst gestern vollzogen wurde, hänge wohl mit den Verhandlungen zwischen Bausenat und Gertig zusammen. Dieser hatte am Freitag sein Einverständnis zur Übernahme der Modernisierungsarbeiten durch die GSW als Baubetreuer gegeben. „Die BesetzerInnen haben wohl den Druck verstärkt, daß der Vertrag zustande kam“, erklärte auch die Kreuzberger Baustadträtin Franziska Eichstätt (AL) gegenüber der taz. Der Eigentümer sei, um der Besetzung ein Ende zu bereiten, wohl eher für ein Baubetreuerkonzept zu haben gewesen. Der Senatsbeauftragte für Initiativen- und Selbsthilfeprojekte Erich Jesse widersprach dieser Ansicht. Seit Anfang Juni habe der Termin mit Gertig im Raum gestanden. Der Eigentümer habe zwei Fristen, die ihm die WBK wegen der Bewilligung von Modernisierungsgeldern gesetzt hatte, nicht eingehalten. „Wenn die Besetzer die Einsetzung eines Baubetreuers veranlaßt hätten, dann wäre der Vertrag ganz bestimmt nicht vor August zustande gekommen“, so Jesse.

cb