Erstmals VW-Betriebsrat entlassen

■ Die Volkswagen AG setzt vor Gericht den Rausschmiß des engagierten Betriebsrats Hartmut Richter durch

Die Volkswagen AG hat vor dem Arbeitsgericht Braunschweig erstmals die außerordentliche Kündigung eines VW -Betriebsratsmitglieds durchgesetzt. Das Arbeitsgericht gab gestern dem Antrag auf Entlassung des engagierten IG -Metallers und Betriebsratsmitglieds bei VW-Salzgitter, Hartmut Richter, statt und ersetzte die zur Kündigung erforderliche Zustimmung des Betriebsrats durch einen Gerichtsbeschluß. „Volkswagen darf Hartmut Richter kündigen, weil dieser eigenmächtig Urlaub genommen hat“ - damit schloß sich die Vorsitzende Richterin Helga Göring der Argumentation der Arbeitgeberseite an. Vier Tage Resturlaub habe Richter im Februar dieses Jahres im Anschluß an eine Kur genommen, ohne sich vorher abzumelden - auf diese Aussage des Meisters von Hartmut Richter stützte das Arbeitsgericht seine Entscheidung.

Hartmut Richter war seit April letzten Jahres als einziger Arbeitnehmervertreter bei VW nicht für die Betriebsratsarbeit freigestellt. Einer knappen Mehrheit im VW-Betriebsrat Salzgitter, bestehend aus sozialpartnerschaftlich orientierten IG-Metallern und den Vertretern der DAG und des christlichen Metallarbeiterverbandes, diente damals ein verspätet weitergeleiteter Beihilfeantrag als Begründung für die Aufhebung seiner Freistellung. Diese betriebliche Beihilfe 100 DM - hatte Hartmut Richter allerdings schon damals aus eigener Tasche ersetzt.

Im Hintergrund der Aufhebung der Freistellung stand eine scharfe Auseinandersetzung innerhalb der IGM zwischen einer sozialpartnerschaftlichen und einer eher kämpferischen Linie, die im Sommer 1987 mit einer Solidaritätsaktion im VW -Werk Salzgitter für die streikenden VW-Arbeiter in Mexiko begonnen hatte. Hartmut Richter, der sich für die Solidaritätsaktion engagiert hatte, leistete auch nach der Aufhebung seiner Freistellung weiterhin Betriebsratsarbeit. Nur hatte er sich dazu jetzt allmorgendlich bei seinem Meister abzumelden, der über die jeweilige Begründung angeblich aus eigenem Antrieb - akribisch Buch führte. Diese Auflistung spielte im Prozeß jedoch keine Rolle mehr. Resturlaub darf nach der VW-Betriebsvereinbarung nur ausnahmsweise ins folgende Jahr übertragen werden. Fällt wegen einer Kur am Jahresende solcher Resturlaub an, so ist er in der Regel im Anschluß an die Kur in Anspruch zu nehmen. In Braunschweig bezeugte gestern noch ein Betriebsratskollege, daß Richter im Dezember trotz Krankschreibung noch einmal im Betrieb erschienen war, um seinen Urlaub nach der Kur wie üblich beim Meister mündlich anzumelden. Das Arbeitsgericht folgte allerdings der Aussage des Meisters, der sich an eine Anmeldung des Urlaubs nicht mehr erinnern konnte.