50x10 „schäbige Dummheit“

■ Behinderter erst geholfen, dann das Portomanaie geklaut / 500 Mark Geldstrafe für „einfach-strukturierten“ Dieb / Mittelloser Täter will jetzt kürzer treten

„Auch wenn Sie relativ einfach strukturiert sind: Sie wissen doch, daß man nicht jemand anderem sein Geld wegnehmen darf. So dumm kann keiner sein.“ Wilhelm K., dem die Strafpredigt von Richter Darsow gilt, sitzt auf der Anklagebank im Bremer Amtsgericht und schluckt und nickt und

nickt und guckt ganz tief unter sich. „Schäbig“, hat er sich verhalten, sagt Richter Darsow und Wilhelm K., der zwischen 1970 und 1980 wegen Geistesschwäche entmündigt war, nickt.

Schäbig am 1.12.1988: Da war es draußen auf der Straße glatt, zu glatt für die behinderte H., die zum Arzt wollte. Sie bittet Wilhelm K. um Hilfe, nimmt sich seinen Arm und der sich ihr Portomanaie mit 60 bis 70 Mark aus der Handtasche. „Er hat ihre Hilfsbedürftigkeit ausgenutzt“ nennt das die Staatsanwaltschaft, ein Kriterium für schweren Diebstahl. Schäbig eine Woche später: Da klaut er einem Arbeitskollegen einen Scheck aus der Jackentasche, fälscht die Unterschrift und hebt 200 Mark ab.

„Warum?“, fragt Richter Darsow, und die Erklärung von Wilhelm K. - „weil ich nicht genug Geld hatte“ - kann er nicht verstehen. Seine Replik: „Sie verdienten doch 800 Mark.“ 800 Mark, für die Wilhelm K. 40 Stunden die Woche arbeitete. Im Auftrag einer Leiharbeiterfirma kratzte er im vornehmen Plaza-Hotel Töpfe aus. Jetzt ist er auch

den Job los, bezieht Sozialhilfe und Wohngeld, beides zusammen 700 Mark im Monat. Wie er mit dem Geld damals auskam, ob er Schulden hatte, wie er auf die Idee kam ausgerechnet eine behinderte Frau und einen Arbeitskollegen zu beklauen, all das ist aus dem Mann nicht herauszubekommen. Nicht , daß er nicht aussagen wollte, er kann es schlicht nicht. „Ich war mit der Miete im Rückstand“, sagt er. Und das er von dem geklauten Geld Lebensmittel gekauft hat. Mehr nicht. Rechtfertigen will er sich nicht, aber bessern. „Ich zahl das ab. Und dann suche ich mir 'ne ordentliche Arbeit und dann kommt das nicht wieder vor.“

Weil er aber wegen ähnlich hilfloser Bagatelltataten bereits zweimal vorbestraft ist, und bereits mit 25 Marks -Weise Geldstrafen abstottert, mag der Richter das nicht so recht glauben: „Schaffen Sie das denn?“ Antwort: „Dann muß ich eben ein bißchen kürzer treten.“ Nein: Einen schweren Diebstahl mochte der Richter nicht feststellen. Buße: 50 Tagessätze a 10 Mark. „50 mal 10 ist?“, testet

Richter Darsow zum Schluß noch einmal die Intelligenz des Angeklagten. Antwort: Eine lange Pause.

hbk