Kohls Stühlerücken nach rechts

Gewinnerin der Kabinettsumbildung ist die CSU / Das „Reformlager“ der CDU ist geschwächt / Der Weggang von Verteidigungsminister Scholz ist eine ganz persönliche Niederlage von Helmut Kohls / Das alte Bild der Schwäche haftet auch dem „neuen“ Kabinett an  ■  Von Ferdos Forudastan

Bonn (taz) - „Die Kabinettsumbildung des Herrn Kohl soll offenbar nach Methode des Recycling vorgenommen werden: Die alten Flaschen werden wiederverwendet.“ So prophezeite Horst Ehmke, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, vor einer Woche. Und scheinbar hat er Recht behalten. Nach den Ankündigungen des Kanzlers, er werde intensiv über eine Regierungsumbildung nachdenken, nach den sich in den letzten Tagen jagenden Treffen der Oberen aus Regierungsparteien und Fraktionen, nun ein Ergebnis, zwar kläglich, aber zugleich auch erschreckend. Das Klägliche: Die Umbesetzungen sind keineswegs geeignet, die angekündigten deutlichen Signale für die Stärke dieser Regierung nach außen zu setzen. Das Erschreckende: Die Umbildung markiert zwar keinen großen Sprung hin zum rechten Rand, aber sie ist ein weiterer Schritt auf dem schleichenden Gang der Regierung in diese Richtung.

Zum Kläglichen: Die Umbildung birgt keine Aussicht darauf, daß sich die stark angeschlagene Regierung ein besseres Image wird zimmern können. Und sie zeigt deutlich, wie stark Kohl der CSU inzwischen nachgeben muß, um seine Position zu halten. Zum Erschreckenden: Mit seinem hilflosen Herumfuhrwerken möchte Kohl besonders dem Partner zur Rechten, der CSU und ihren Wählern, und zugleich den Sympathisanten der „Republikaner“ naherücken. Kläglich und den Blick nach rechts gerichtet: Fast jede der Umbesetzungen trägt diese beiden Züge.

Zum Beispiel Wolfgang Schäuble, der neue Innenminister: Er ist viel jünger als Zimmermann, verkörpert den Typ des aufgeschlossenen, pragmatisch denkenden und handelnden Technokraten. Er wirkt liberaler als sein Vorgänger - und ist in der Sache alles andere als dies. Innere Sicherheit, Ausländer- und Asylrecht: In diesen Kernfragen seines Ressorts wird Schäuble keine weniger reaktionäre Politik als Friedrich Zimmermann machen. Er wird nur effizienter sein und seine Entscheidungen geschickter verkaufen.

Waigel gilt Kohl als große Hoffnung. Und daß die sich erfüllt, scheint zweifelhaft. Zwar hat Waigel als CSU -Landesgruppenchef und Fraktionsvorsitzender in Bonn bewiesen, daß ihm die Position eines Anführers liegt. Als die große, rechtskonservative Leitfigur, die Kohl sich zu erhoffen scheint, ist er bisher noch nicht in Erscheinung getreten. Und als profilierter Fachmann für Finanzen hat er sich bisher auch noch nicht hervorgetan.

Stoltenberg auf der Hardthöhe bedeutet eher Kontinuität als Wandel. Wie sein Vorgänger, der geschaßte Scholz, ist er phantasielos, bürokratisch und im Umgang mit Untergebenen so ungeschickt wie gespürlos. Daß er das große anstehende militärpolitische Thema, die sogenannte Modernisierung bei Kurzstreckenraketen, politisch wird bewältigen können, halten auch Unionspolitiker für schwer vorstellbar. Auf den Posten ist er deshalb gehievt worden, weil er als immer noch einflußreicher Vertreter Schleswig-Holsteins gilt.

Zimmermann wird Verkehrsminister: So behält er eher ehrenhalber seinen Ministerrang.

Warnke statt Klein: So ersetzt Kohl einen, der sich vorzugsweise mit schwarzen Babies auf dem Arm fotografieren ließ, durch einen anderen, der dies schon früher einmal getan hat.

Über Gerda Hasselfeldt, die zukünftige Bauministerin, ist noch nichts zu sagen, und dies sagt ja auch schon was. Daß Rudolf Seiters Wolfgang Schäuble im Kanzleramt nachfolgt, bedeutet nur eine personelle und keine politische Entscheidung: Wie Schäuble gilt er als sehr fleißiger, ergebener Kohl-Mann und strammer Rechter.

Daß Heiner Geißler sich nicht hat in die Regierung einbinden lassen, mögen viele als Zeichen seiner Stärke werten, es zeigt mindestens ebenso deutlich sein resigniertes Wissen darum, daß er als Minister nicht mehr viel ausrichten könnte.

Zum Kniefall des Kanzlers vor der CSU: An Schäuble wird die bayerische Schwesterpartei nichts auszusetzen haben. Sie bekommt mit Waigel das attraktivste Ministerium, das der Finanzen, und der konnte sich gar noch lange zieren: Kohl mußte ihn zur Übernahme des Finanzministeriums förmlich anflehen. Scholz, gegen den die Bayern schon immer waren, soll gehen, und dies ist übrigens für seinen großen Beschützer und Verteidiger Kohl das Eingeständnis einer Niederlage. Zimmermann darf - obwohl allseits unbeliebt bleiben. Und mit Hans Klein als Regierungssprecher verkauft in Zukunft die CSU des Kanzlers Politik. War's das? wurde gestern nach Bekanntwerden der neuen Kabinettsliste in Bonn allgemein gefragt. Das war's. Und das es nur das war, liegt zum einen daran, daß auch die jetzt stehenden Konstellationen überhaupt keine Überraschung sein können. Wurde doch sie wie auch alle anderen denkbaren und undenkbaren anderen in den letzten Wochen ständig öffentlich durchgespielt. Zum anderen war's das, weil Kanzler Kohl keine Alternativen hat: Selbst wenn er eine andere Sachpolitik zu bieten hätte - er müßte sie sich für die Zeit nach der Europawahl in der Hinterhand halten. Das Lager der sogenannten Reformer um Heiner Geißler zu stärken, konnte er sich - gesetzt den Fall er hätte es gewollt - bei der wachsenden Anhängerschar für rechtsradikale Ideen nicht leisten. Er mußte die CSU einbinden, um sie bei der Stange zu halten. Und um einen noch größeren Sprung nach rechts zu machen: Ob die Stimmung in der Republik dies tragen würde, ist trotz der Wahlergebnisse von Berlin und Hessen noch nicht ausgelotet.

Die Kabinettsumbildung ein Recycling alter Flaschen? Nicht nur dies. Sondern auch ein letztes Aufgebot, eine Notoperation und bei aller scheinbaren Lächerlichkeit eine Wegvorgabe.