Ungeborenes auf dem heißen Stuhl

■ Fernseh-Quartett stritt um Abtreibung und Selbstbestimmungsrecht der Frau Karin Stieringer auf den „Heißen Stuhl“ des 3. Programms der Nordkette geladen

Nicht selten, hab ich mir von fernsehfreudigeren ZeitgenossInnen sagen lassen, sei der Heiße Stuhl, auf dem ein Mensch provokante Thesen zu einem heißen Thema vortragen soll, ein öffentlich-rechtlich abgefilmtes Schnarchsofa. Die Idee der Sendung ist, daß ein auf einem Lehnstuhl abgesondert plazierter Mensch seine möglichst umstrittenen Argumente zu einem möglichst umstrittenen Sujet möglichst pointiert vorträgt und von drei GegnerInnen unter Beschuß genommen wird, auch aus dem Publikum.

Am Dienstagabend hat das Konzept mal hingehauen. Auf dem Feuerstuhl hatte Bremens CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Karin Stieringer Platz genommen, und zwar in ihrer Eigenschaft als Christdemokratin für das Leben: Den Schutz des Ungeborenen hat sich diese fundamentalchristliche Gruppierung auf die Fahnen geschrieben. „In Bremen kommen pro Jahr 6.000 Kinder nicht zur Welt, das halte ich

für unerträglich“, eröffnete die Rechtsanwältin ihr Plädoyer gegen den Schwangerschaftsabbruch, vor allem gegen die Notlagenindikation.

Die katholische Theologin Renate Rieger aus Berlin deckte die christlich-historische Flanke ab, indem sie zum Beispiel klarstellte, daß der Beginn menschlichen Lebens zu unterschiedlichen Zeiten ganz unterschiedlich und durchaus ideologisch bestimmt wurde. So galten lange Zeit weibliche Embryos erst später als „beseelt“ und damit schützenswert als männliche. Für Stieringer anno 1989 beginnt Leben „mit dem Verschmelzen von Ei-und Samenzelle“.

Die beiden Parteien schenkten sich nichts. Zum Beispiel Stieringer contra Gerhard Amendt. Der Bremer Hochschullehrer: „Sie vertreten hier die klassische These, die Frau ist ein Gefäß.“ Stieringer dazwischen: „Ja.“ Amendt: „Schwanger sein reicht aber nicht.“ Es sei ein langer Pro

zeß, die Schwangerschaft und später das Kind zu aktzeptieren. Stieringer-Stakkato: „Wir haben hier nicht zu mögen oder nicht zu mögen.“ Und holt tief Luft.

Es blieb einer Frau aus dem Publikum vorbehalten, das Jammerlied von den angeblich so zahlreichen Frauen anzustimmen, die eigentlich gerne die Schwangerschaft austragen würden, es sich aber materiell nicht leisten könnten, und die unter dem Abbruch furchtbar litten. Da hakte die Grünen-Vorständlerin Verena Krieger sofort und entschieden ein, um diesem klassischen Arme-Frauen -Schlechtes-Gewissen-Argument das weibliche Selbstbestimmungsrecht entgegenzustellen. Es gebe eine große „Spannbreite möglicher Empfindungen“ und es sei unzulässig, das Problem aufs Materielle zu reduzieren. Sonst könnte der Eindruck entstehen, mit ein paar Millionen für die Stiftung Mutter und Kind dürfte es keine Abtreibungen mehr geben. Für Frauen, die

kein oder noch kein Kind wollten, sei die Schwangerschaft „ein unangenehmer Zustand“, den sie beenden wollten.

Karin Stieringer wollte von Verena Krieger wissen, ob sie denn gar nicht für den Schutz von Ungeborenen sei. Embryonen müßten geschützt werden, gab ihr die einmal mehr souverän auftretende Grüne Recht, und zwar vor Manipulationen durch Gentechnologen.

Gaby Mayr