Tote bei Demonstrationen gegen Salman Rushdie

In Bombay kamen bei Protesten gegen die „Satanischen Verse“ zehn Menschen ums Leben / Irak und Moslems in der BRD kritisieren Khomeinis Mordbefehl  ■  Von Arno Widmann

Berlin (taz) - In Bombay sind bei Demonstrationen gegen Salman Rushdies „Satanische Verse“ am Freitag zehn Personen ums Leben gekommen, 38 weitere wurden verletzt. Wie die indische Nachrichtenagentur UNI meldete, hatte die Polizei das Feuer auf eine Ansammlung von Moslems eröffnet, die mit Flaschen, Steinen und anderen Gegenständen gegen die Sicherheitskräfte vorgegangen waren. Die Unruhen waren kurz nach dem wöchentlichen Freitagsgebet der Moslems entstanden. Wegen des Rushdie-Buches aufgebrachte Gläubige setzten UNI zufolge Geschäfte und Autos in Brand und verursachten in der Innenstadt von Bombay ein Verkehrschaos. Nach Polizeiangaben wurden über 800 Personen unter dem Vorwurf des Aufruhrs festgenommen. Einer der Moslemführer Bombays, Imam Seyed Abdullah Bukhari, versicherte den iranischen Revolutionsführer Khomeini im Hinblick auf dessen Mordaufruf seiner „vollen und totalen“ Unterstützung.

Der Irak dagegen hat auf das schärfste das Todesurteil verurteilt, das der iranische Glaubensführer Ayatollah Ruhollah Khomeini gegen Salman Rushdie ausgesprochen hat. Das teilte der stellvertretende irakische Außenminister Nizar Hamdoon am Freitag in Neu Delhi mit. Hamdoon unterstrich, daß auch der Irak das blasphemische Buch zwar verbanne, Khomeini jedoch nicht das Recht habe, ein Todesurteil im Namen der gesamten islamischen Welt auszusprechen.

Der irakische Politiker sagte weiter, daß sich die irakische Regierung aus der Kontroverse herausgehalten habe, weil die gesamte Angelegenheit sehr empfindlich sei und der Irak noch heute unter den Folgen des Krieges mit dem Iran zu leiden habe.

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Im Iran spielt man noch immer mit den fundamentalistischen Muskeln. Parlamentspräsident Haschemi Rafsandschani hat die Staaten des Westens aufgefordert, im Fall des umstrittenen Buches Farbe zu be

kennen. Bei einem Freitagsgottesdienst in Teheran sagte Rafsandschani, die Moslems wollten wissen, ob die Regierungen der westlichen Länder hinter der Darstellung des Islams und des Propheten Mohammed stünden, wie sie in einigen Teilen des Buches enthalten seien. Rafsandschani erklärte, daß Iran für das, „was Moslems in Ausübung ihrer Pflicht“ gegen Rushdie unternehmen könnten, keine Verantwortung übernehmen könne. Viele Moslems glaubten, daß westliche Staaten die Veröffentlichung von Rushdies Buch unterstützten, sagte der Parlamentspräsident. Er fordere daher jede Regierung auf, öffentlich zu erklären, ob sie dies tue oder nicht.

Die Iranische Moslemische Studenten-Vereinigung, Sympathisanten der Volksmudschaheddin Iran, wird heute um 11.30Uhr in zahlreichen Städten gegen Khomeinis Mordbefehl demonstrieren. Auch der Gene

ralsekretär und Beauftragte des Islamischen Weltkongresses für das Land Berlin verurteilte die „Mordkampagne der Gruppe um den iranischen 'Revolutionsführer‘ Ruhollah Khomeini gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie“. Seit 1.400 Jahren werde im Westen Literatur mit antiislamischer Tendenz veröffentlicht. „Daß gerade jetzt diese Reaktion erfolgt, hat offensichtlich nicht religiöse als vielmehr tagespolitische Motive.“