Die Septemberdebatte

Rakowski vor dem Bundestag  ■ G A S T K O M M E N T A R

Für Polen und Deutsche ist dieser Jahrestag das wichtigste Ereignis in ihrer mehr als tausendjährigen gemeinsamen Geschichte.“ Das hatte 1979 der polnische Journalist Mieczyslaw Rakowski geschrieben. Damals zur 40.Wiederkehr der heimtückischen Stunden, in denen die Soldaten Hitlers und die Propaganda-Schüler von Goebbels die Polen überfielen und dafür auch noch den Vorwand organisierten, die Polen hätten „angefangen“. Sie werden es vielleicht noch als Bubenstück in Erinnerung haben, die jungen Deutschen, die da in polnischen Uniformen verkleidet den Sender Gleiwitz überfielen.

In diesem Jahr ist die Schmach ein halbes Jahrhundert alt. Wie gehen wir damit um? Sind wir schon oft den wildesten Deutern der Vergangenheit auf den Leim gegangen, so taten wir uns noch schwerer mit der Form, in der wir mit unserer Geschichte umgegangen sind: 40 Jahre lang hatten die Deutschen ihre Sedan-Feiern zelebriert. Siegestrunken. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten sie 20 Jahre lang gegen den „Diktatfrieden“ gewütet. Nach 1945 haben alle deutschen Bundespräsidenten und Bundeskanzler zu den Gedenktagen Schuldbekenntnis und Versöhnungswillen zum Ausdruck gebracht. Aber der Deutsche Bundestag hat bisher noch nie über die Zerstörung Polens, die am 1.September 1939 von den Deutschen begonnen wurde, debattiert. Wir haben die Reden von Staatsmännern ehemaliger Kriegsgegner in lebhafter Erinnerung. Wie immer in Warschau und in Bonn der September 1989 vorbereitet wird, wir Deutschen sollten dem polnischen Ministerpräsidenten Gelegenheit geben, vor unserem Parlament zu sprechen. Rakowskis Besuch in dieser Woche war der gelungene Anfang des polnisch-deutschen Versöhnungsjahres 1989. Nach 50 Jahren und Millionen Toten. Nach Auschwitz und Treblinka.

Freimut Duve, MdB (SPD)