„Arschrunzeln“ gegen Druckgeschwüre

■ Demo-Erste-Hilfe-Fibel erscheint in neuer Auflage / Tips gegen CS und CN-Gas und andere Verletzungsgefahren

Die Zitrone ist „out“. Jahrelang galt der Zitrussaft als Mittel gegen Kampfstoffnebel. Beobachtungen der Demosanis ergaben jedoch einen überraschenden Nachteil: Zitronensaft im Mundtuch frischt die Atemluft lediglich auf, filtert die Kampfstoffe jedoch nicht. Unbemerkt dringt so mehr CN oder CS in die Atemwege als verträglich, weil die Abwehrmechanismen vom Zitronensaft überwunden werden. Es kommt dann später zu schweren Reizerscheinungen.

Tips wie dieser finden sich in der unlängst erschienenen Broschüre Selbstschutz und Erste Hilfe bei Demonstrationen und Blockaden. Das Heft erschien erstmals vor zehn Jahren und hat mittlerweile die achte überarbeitete Auflage erreicht. „Wieder sind die Erfahrungen von Demosanis an den Bauzäunen der Republik und bei größeren und kleineren Demonstrationen verarbeitet worden“, schreiben die Herausgeber.

Dem Heft ist das von der ersten bis zur letzten Seite anzusehen: Neben einer knappen, durch zahlreiche Illustrationen auch für medizinische Laien verständlichen Einführung in die Erste Hilfe gewinnt die Fibel vor allem durch ihre praktischen Hinweise an Wert: Die häufigsten Demonstrationsverletzungen („Schon fast klassisch: Die Platzwunde am Hinterkopf nach Knüppeleinsatz gegen Fliehende“) werden einzeln abgehandelt, jeweils unterteilt in Vorbeugung, Anzeichen, Erste Hilfe und mögliche Komplikationen.

Und die häufige Zusammenarbeit von Sanigruppen und Ermittlungsausschüssen zeigt sich im Kapitel „Im Kittchen bleibt ein Zimmer frei“, das die derzeit wohl besten und aktuellsten Rechtshilfetips auflistet.

Ein Extrakapitel widmet das 64 Seiten starke Heft den Wirkungen von CN und CS. Statt des Zitronensaftes wird ein trockenes feingewebtes Tuch empfohlen, oder aber ein angefeuchtetes, das dann allerdings häufig gespült werden muß.

Und ein weiterer Abschnitt befaßt sich mit den psychischen Folgen der Polizeigewalt. Menschen, „die im wahrsten Sinne des Wortes 'unter die Polizei‘ geraten“, sind häufig auch ohne körperliche Verletzungen „völlig durch den Wind“, heißt es im gleichnamigen Kapitel. Schlafstörungen, unbestimmte Angst oder auch filmartige Erinnerungen an bestimmte Szenen von Polizeigewalt seien dann die möglichen Folgen, die häufig nicht verarbeitet würden. Der stärkste Schutz dagegen sei „eine Gruppe, deren Mitglieder solidarisch und verbindlich miteinander umgehen“ und die Aktionen nicht nur politisch und technisch vorbereiten, sondern sich auch „über Persönliches und Emotionen austauschen“.

„Polizeiknüppel unterscheiden nicht zwischen gewaltfreien und militanten Köpfen“, meinen die Sanigruppen und empfehlen trotz der verschärften Demoauflagen und -gesetze von Fall zu Fall eine angemessene Selbstschutzausrüstung. Eine gewisse Ironie ist dabei nicht zu übersehen. Bei Sitzblockaden sei ein gelegentliches „Arschrunzeln“ von Vorteil, um Druckgeschwüre am Hintern zu vermeiden, heißt es in der Broschüre.

Selbstschutz und Erste Hilfe bei Demonstrationen und Blockaden (mit Rechtshilfetips), 64 Seiten, 38 Abb., 10 Fotos. Vertrieb über: Redaktion Straßenmedizin, c/o BUU, Hohenesch 63 (Hinterhaus), 2000 Hamburg 50. Preis: Einzelexemplar DM 6,- (zzgl. 1,50 Porto u. Verpackung), Vorkasse! Ab 5 Ex. 35 % Rabatt (zzgl. Porto u. Verpackung)