Was soll es bedeuten?

■ Was die schönste Weihnachtsbude so preiswürdig macht: Sie hat ein Dach, steht beim Rathaus und macht keinen Lärm

Unter den Arkaden des Deutschen Hauses sitzt der Drehorgelspieler. Seine Musikmaschine stampft, Disco-Rhytmus unterlegt, „Was soll es bedeuten“ vor sich hin“. Die Mutter, die ihr Kind hinter sich herreißt, hat weder Ohren für die Musik, zwo-drei, noch Augen für den frischpreisgekrönten Weihnachtsstand gegenüber vor dem Rathaus. Da steht die Kerzenbude von Brigitte Niggemann-Schapipper aus Melle, und die war am morgen als schönste verkündet und mit 500 Mark bepreist worden. Fachkompetente Budenjuroren wie der neue Innensenator Peter Sakuth, der Domprediger Gunther Abramzik, der Geschäftsfüher der Handelskammer Karl-Heinz Strohmann und die Vizepräsidentin Anneliese Leinemann hatten sich in den Tagen zuvor über den Markt gedrängelt und geschubst und nun ihr Urteil gesprochen.

Was das bedeuten soll? Ganz einfach. Der Preis ist eine Art Versöhnungsgeste der offiziellen Hansestadt mit den fliegenden Händlern, die besonders im letzten Jahr arg verprellt wurden. Wir erinnern uns und werfen zu diesem Zweck einen Blick in eine hochnotgeheime Senatssitzung: Die Herren und Dame sitzen bei der Beratung. Eine döst ein wenig, zwei tuscheln miteinander, andere lauschen der Musik, die von draußen in den Rathaussall dringt: „Was soll es bedeuten“. Einer weiß es ganz genau, fühlt sich in seiner Rede nicht genug beachtet, fährt sich mehrmals mit der flachen Hand durchs Haar und

dann aus der Haut: „Die Orgel muß weg, die Orgel muß weg, die Orgel muß weg.“ Peinlich berührt blicken die Kollegen auf ihren Kröning und mögen angesichts dieser unerwarteten Eruption nicht mehr widersprechen. Die Orgel kommt weg, ein Preis statt dessen her. Bremen hat seinen Vorweihnachtsskandal.

Doch wir sind vom Thema abgekommen. Also, die Kerzenwachs -Bude vor dem Ratskeller-Eingang soll die Schönste weit und breit sein. Sie ist aus schlichtem Kiefernholz, so ähnlich wie 'ne Sauna, nur daß sie, wie sich das für Buden gehört, offen ist und zudem ein mit rotem Plastik bezogenes Dach hat. Und das Dach, das ist der preisbringende Clou, hat mehrere Giebel und fügt sich, so die Fachjury, in die Silhouette von Kirche und Rathaus ein. Und außerdem ist sie extra für den Bremer Weihnachtsmarkt gebaut, und das steht auch am Dach. Hanseatisch zurückhaltend eben, nichts Aufdringliches, fällt halt nicht unangenehm auf.

Nicht so wie diese Bude vor dem Parlament. Da hatte doch der Besitzer just zu der Zeit, da das Bremer Hohe Haus zur Bürgerschaftssitzung zusammentrat, seinen Bretterverhau mit blau-weißen Bayern-Fahnen vollgehängt. Was das nun wieder bedeuten sollte, wußte der Bürgerschaftspräsident zwar auch nicht, daß das nicht so geht, aber um so besser. Die Fahnen mußten eingerollt und die Bude zudem aus den Reihen der preisverdächtigen eliminiert werden.

hbk