Lachen auf wienerisch und bayerisch

■ Zwei Einakter zusammen im Schauspielhaus: die Wiederaufnahme von Nestroys „Früheren Verhältnissen“ und Valentins „Erbschaft“ inszeniert von Hans Falar

„Woher diese leeren Theater? Nur durch das Ausbleiben des Publikums. Schuld daran - nur der Staat. Warum wird kein Theaterzwang eingeführt?“ Hätte Senator Franke seinen Karl Valentin gelesen, hätten mehr Leute dessen ERBSCHAFT gesehen, als sie jetzt wieder im Bremer Schauspielhaus zu sehen war, gemeinsam mit Johann Nepomuk Nestroys Stück FRÜHERE VERHÄLTNISSE. So aber amüsierte sich nur ein kleines Häuflein. Ein Jammer. Dabei gäbs ein so hübsches Theater anzuschauen, Bremens Beton-Spielstätte hat sich in ein veritables k.u.k. Kleinstadttheater verwandelt, mit richtigen kleinen, mit rotem Samt ausgeschlagenen Löge-chen, die wie Vogelnester links und rechts der Bühne kleben. Am schönsten allerdings die Luster, ja, Luster, die, grade wie jener im Theater in der Josephstadt in Wien, in die Höhe gezogen werden, sobald ihre Lichter erlöschen. Ein schön ironischer Rahmen für Nestroys Einakter FRÜHERE VERHÄLTNISSE, in dem die gesellschaftlichen Verhältnisse von oben und unten durcheinander sind. Der frühere Hausknecht Johann (Alexander Grill) hat eine reiche Frau (Hertha Martin) geheiratet und ist nun der Herr von Scheitermann. Sein früherer Prinzipal hingegen, der Anton Muffel (Hans Falar), ist tschaligangen, bankrott, er sucht eine

Dienststelle - und landet bei Scheitermann. Ganz besonders vertrackt wird die Chose, weil Muffel auch die früheren Verhältnisse der Gnä‘ Frau zu kennen glaubt: nur, er irrt sich fundamental, denn die er für seine Prinzipalin hält, ist die Köchin Peppi(Traute Hoess), sein früheres Verhältnis. Eine ziemlich verbumfeite Gesellschaft. Mühsam und doch vergeblich sucht Scheitermann sein gschertes Wienerisch hinter eingelernten noblen Floskeln zu verstecken, aber dann brichts immer wieder aus ihm heraus, daß es nicht zum Aushalten ist, mit einer Frau aus einem derart feinen Haus. Im Gegensatz dazu genießt Muffel es, so zu reden, wie er nun gesellschaftlich steht: grob und direkt und immer mitten ins Gesicht: Du elender Parfümör - Parfenü will ich sagen.“ Aber zwischendurch bricht aus ihm das Pathos des Herabgestiegenen und er schwört: „O, ich will euch ein furchtbarer Hausknecht sein.“ Am Ende aber ist er doch kein furchtbarer, sondern ein recht normal bestechlicher Hausknecht.

Ganz anders als dieser schwungvoll, mit Lust an der Übertreibung gespielten Schwank ist der Humor im zweiten Einakter, in der ERBSCHAFT Karl Valentins. Wie gut Traute Hoess spielt, wird besonders im Kontrast ihrer zwei Rollen deutlich. Die resche, plap

pernde Peppi im Nestroy, die abgehärmte Babette Geier im Valentin. Sie sitzt in einer armseligen Bruchbude, mit Packpapier tapezierte Wände, Wäscheleine quer durch die Stube, ein qualmender Ofen. Sie sitzt am Tisch: und dann kann man sehen'was es heißt, jeden Pfennig umdrehen zu müssen. Langsam, bedächtig, fast in Zeitlupentempo zählt und zählt sie wieder, was sie besitzt, und es wird nicht mehr, und im mühsam unterm Bett hervorgekramten Sparstrumpf steckt auch nur ein Pfennig. Präzise wie Traute Hoesss ist auch Benno Ifland als Lorenz Geier bzw. Karl Valentin: ein elend dünner Mensch mit riesigen Schuhen, der mit dem größten Ernst die absurdesten Gedanken vor sich ausbreitet: zum Beispiel die Geschichte, wie er um ein Loch herum, das er aus einem Ofenrohr sägte, eine Gittarre baute. Die Sprache bei Valentin ist lapidar und knapp wie die Gesten, und gerade darin liegt seine Komik. Und komisch ist es schon, wenn Lorenz und Babette glauben eine Erbschaft gemacht zu haben und im plötzlich ausbrechenden Gefühl des Reichtums ihr kärgliches Hab und Gut zum Fenster hinauswerfen, um zu erfahren, daß doch alles nur ein Irrtum war. Bei Valentin gehen die vertrackten Geschichten nicht mehr so ausgebügelt aus wie bei Nestroy.

Christine Spiess