Polizei entert Greenpeace-Schiff

Seekrieg der Polizei gegen Greenpeace in Emden / Weg des Atomfrachters „Sigyn“ freigekämpft / 10.000 protestierten gegen Atom-Hafen Emden / Letzter Transport von Brennelementen aus dem AKW Kahl  ■  Aus Emden Michael Weisfeld

Gestern um 14 Uhr war alles vorbei. Die Ladeklappen des schwedischen Frachters „Sigyn“ waren wieder geschlossen, nachdem die vier leuchtend blauen Spezialbehälter mit den verbrauchten Brennelementen aus dem stillgelegten bayrischen Atomkraftwerk Kahl an Bord gerollt waren. Die Atomkraftgegner hatten eine Schlacht verloren. Seit Sonntag nachmittag pausenlos im Einsatz, blieb ihnen gestern nichts anderes übrig, als dem hinausfahrenden Atomfrachter Schmähungen hinterherzurufen: „Auf Nimmerwiedersehen, hoffentlich!“ Zwar war dieser Transport der letzte aus dem Reaktor in Kahl, aber die Stadt befürchtet, zum neuen Atomhafen der Republik zu werden, nachdem die Transporte über Lübeck wegen Protesten dort 1987 gestoppt werden mußten. Begonnen hatten die Aktionen in Emden am Sonntag nachmittag mit einer Kundgebung von fast 10.000 Menschen auf dem Rathausplatz.

Auch die örtliche SPD trug den Protest mit. Der Landtagsabgeordnete Johann Bruns hielt auf dem Rathausplatz die Eröffnungsansprache. Am späten Sonntag abend kam die „Sigyn“ von Schweden aus vor Emden an. Sie lief jedoch nicht in den Hafen ein, sondern ging bei der Nordseeinsel Borkum vor Anker. Der Bundesbahnzug mit seiner strahlenden Fracht näherte sich zu dieser Zeit der Stadt. In der Nacht war er von Atomkraftgegnern bei Emden gesehen worden. Gegen 4.20 Uhr lief der Zug in den Emdener Güterbahnhof ein. Zu diesem Zeitpunkt hatten etwa 1.000 Demonstranten schon den Schienenstrang besetzt, der vom Güterbahnhof ins Hafengebiet führt. Doch dort konnten sie die strahlende Ladung nicht aufhalten, denn auf verschwiegenen Gleisen wurde der Zug auf die Kaianlagen der privaten Emdener Verkehrs-AG im Binnenhafen geleitet.

Als die Demonstranten das erfuhren, wußten sie: Die „Sigyn“ muß durch die Schleuse von der Ems in den Binnenhafen. Vor der Schleuse kreuzte das Greenpeace-Schiff „Moby Dick“, umschwärmt von Schlauchbooten. Greenpeace wollte das Anlegen des Atommüll-Frachters blockieren. Gegen 10.30 Uhr tauchte das leuchtend rote Schiff aus dem Nebel auf. Eine Greenpeace -Sprecherin wenig später über Bordtelefon: „Wir fahren vor der Sigyn her in Richtung Schleuse. Unsere Schlauchboote sind alle im Wasser. Schnellboote der Wasserschutzpolizei fahren auf uns zu.“ Dann riß die Telefonverbindung ab.

Wenig später machte die Wasserschutzpolizei dem Atomfrachter den Weg frei. Ihre Schnellboote drängten die Moby Dick durch das geöffnete Schleusentor. Dann enterten behelmte Kommandos das Greenpeace-Schiff. Die Besatzung und Journalisten, die sich an Bord befanden, wurden festgenommen. Die Wasserschutzpolizei setzte selbst Schlauchboote aus und machte Jagd auf die Greenpeace -Aktivisten in den Booten, die versuchten, das Schleusentor zu blockieren. 13 Leute wurden festgenommen. Es bestehe der Verdacht auf Straftaten, sagte der Emdener Polizeisprecher, Helmut Wolters. Der Seeverkehr sei gestört worden. Außerdem hätten sich die Greenpeace-Boote im Hafengebiet aufgehalten, obwohl die Bezirksregierung Weser-Ems ihnen dies verboten habe.

Ungestört durchlief die „Sigyn“ dann die Schleusen und machte am Terminal 1 der Emdener Verkehrs-AG fest. Den Atomkraftgegnern blieb nur, durch den Zaun zu beobachten, wie die blauen Behälter an Bord rollten. Auf der Pier des Terminals, wie auch im ganzen Hafengebiet, wimmelte es von Polizei aus ganz Norddeutschland. Am Nachmittag wurde die Besatzung der Moby Dick dann wieder freigelassen.