Idylle Kreuzberg

■ Ein Gang durch die Gemeinde: Straßenfest in der Reiche

Wir hatten uns vage am Tequilla-Stand mit Anne und den anderen verabredet. Kurz vorher hatte es in der O-Straße noch gegossen, hier in der Reichenberger waren die Wolken aber nicht angekommen. Alles trocken, bis auf einige Typen, die bereits morgens angefangen hatten, Schultheiss und Beck zu unterstützen.

Tequila-Stände gab es mehrere, außerdem waren wir zu spät dran. Nun gut, dann erst mal was zu trinken beim „Kreuzberger Frieden“ geholt. Derart gewappnet, lief es sich die mehreren hundert Meter des Straßenfestes leichter.

Die Wagenburgler waren mit einem Wüstenfahrzeug präsent und forderten die Erhaltung der Wagenburg an der Mauer, eine Frauengruppe hatte Punktexte untersucht, deren sexistischen Inhalt dokumentiert und an einer Leine aufgehängt. Die „Cramps“ stehen mit ihren Texten mit an der Spitze der Frauenverachtung und -diskriminierung, trotz geiler Musik.

An einer Häuserwand lehnten Plakatständer mit einer Dokumentation der Eigentumsverhältnisse in der Reiche. Die katastrophale Wohnsituation der Mieter und die feudale der Eigentümer wurden einander gegenübergestellt. Der Knastverein lieferte ein alkoholisches Getränk auf Hefebasis, was furchtbar schmeckte, aber immerhin für einen guten Zweck war.

Wegen der Typen aus der Reiche 120 weigerten sich eine Frauenband und eine türkische Sängerin aufzutreten. Inzwischen hatten wir unsere Leute entdeckt.

War die Stimmung zu Beginn noch recht lahm, so wurde sie gegen Abend zunehmend euphorischer. Die Gruppen wurden besser, der mittlerweile auch außerhalb Kreuzbergs bekannte Christian durfte auf die Bühne, mitsingen, Zivis entlarven, die sich daraufhin schleunigst aus der Menge entfernten, und vom Kubat-Dreieck erzählen. Als wir überlegten, nach Hause zu latschen, trabten einige vermummte GenossInnen an uns vorbei. Wir sahen in der Richtung, aus der sie kamen, einen Kleinlaster brennen, der quer auf der Straße stand. Nachdem wir gemächlich hingeschlendert waren und uns einige Zeit an den Flammen ergötzen konnten, kamen zwei freundliche Feuerlöschzüge angefahren, um dem Schauspiel ein rauchendes Ende zu bereiten. Wagemutig stoben auch zwei Wannen über den BürgerInnensteig und postierten ihren hemdsärmligen, krawattenbehängten Inhalt rund um das Lasterfeuer. Als sich ein etwa 40jähriger Bürger lauthalt über die braunen Zustände erregte, begannen wir, Richtung Auto zu schlendern, um im OFF Robert Redfords (!) Anti-IWF-Film „Milagro, Krieg im Bohnenfeld“ anzusehen. Am Kottbusser Damm warteten ca. 20 Leute, um Randale zu provozieren.

SM