Pfälzer sind gar nicht so-betr.: Widerstand gegen das Giftgaslager in Fischbach, taz vom 27. bis 29.6.88

betr.: Widerstand gegen das Giftgaslager in Fischbach, taz vom 27. bis 29.6.88

(...) Es gibt in der Pfalz nicht nur Giftgas, nein die Pfalz ist das größte Waffenlager der USA außerhalb ihres Landes. In Kaiserslautern, Pirmasens, Zweibrücken, Ramstein ist fast jeder dritte Einwohner US-Amerikaner (Soldaten mit Familien). Alle paar Kilometer fährt man an Stacheldrahtzäunen vorbei, die riesige Waldflächen umspannen, in denen fast das gesamte Nachschubmaterial der USA-Armee in Westeuropa lagert (Atomsprengköpfe in Maßweiler, Giftgas in Fischbach, Panzer und Artillerie in und um Ramstein und Kaiserlautern). In unzähligen Bunkern der Westpfalz ist alles gelagert, was eine Armee braucht zur Kriegsführung in Nahost oder in Westeuropa. Ich fahre oft mit Freunden und Bekannten in diese Gegend, um es ihnen zu zeigen. (...)

Was in eurem Artikel nicht erwähnt und teilweise auch falsch dargestellt wurde, ist , daß es die Verbundenheit der Bevölkerung mit der US-Armee nicht gibt. Ich muß etwas zurückgehen, um es zu erklären: Die Westpfalz war über 25 Jahre die Schuhmetropole der BRD, wenn nicht Europas. Die „Schuhbarone“ hatten die Kommunalparlamente fest im Griff. Etwas abgemildert war dies in den Städten Kaiserslautern, Pirmasens und Zweibrücken, wo die SPD regierte. Aber auch hier hatte die Schuhindustrie einen sehr großen Einfluß. Das Hauptinteresse der „Schuhbarone“ lag darin, jegliche neue Ansiedlung von Industrien zu verhindern und so mit dem Monopol auf Arbeitsplätze die Löhne möglichst niedrig zu halten. Es gibt noch heute Schuhfabriken, wo ArbeiterInnen die größten Probleme bekommen, wenn sie in der Gewerkschaft sind. Seit dem Niedergang der Schuhindustrie hat die Westpfalz sehr hohe Arbeitslosenzahlen, gerade wegen der Politik der „Schuhbarone“ und deren Vasallen bei der CDU und auch bei der SPD. Der größte Arbeitgeber in der Westpfalz ist zur Zeit die US-Armee. Ansonsten müßten die Menschen in die entfernten Industriezentren Ludwigshafen/Mannheim oder Karlsruhe fahren - täglich 80 bis 100 Kilometer! Was Wunder, wenn sich in diesem Landstrich der Opportunismus ausbreitet.

Statt den Menschen in der Pfalz vorzuwerfen, sie wären nur geil auf US-amerikanische Dollars, muß ihnen eine Existenzalternative geschaffen werden. Es ist zu platt, wenn behauptet wird, in der Pfalz werfen die Menschen nachts noch Schatten, so schwarz wären sie. Die Menschen in der Pfalz wollen keine Amerikaner mit Atombomben und Giftgas. Sie wollen Arbeitsplätze und ich bin sicher, wenn in dieser Gegend endlich Alternativen zur US-Armee geschaffen würden, würde sich das Verhältnis der Bevölkerung zur US-Armee auch offen kundtun. (...)

G. Ullrich, Offenbach/Main