Für Jahrzehnte in der Schuldenfalle

■ Omar Davies, Ökonomieprofessor und Berater der sozialdemokratischen People s National Party (PNP)

I N T E R V I E W Für Jahrzehnte in der Schuldenfalle

Omar Davies, Ökonomieprofessor und Berater der

sozialdemokratischen People's National Party (PNP)

Claudia von Braunmühl: Wie war Ihre erste Reaktion, als Sie die Einladung der taz zu einem Symposium erhielten, an dem auch Vertreter der Weltbank teilnehmen sollten?

Omar Davies: Der Vorschlag faszinierte mich. Zum einen begrüßte ich die Gelegenheit zum Gedankenaustausch mit Vertretern von IWF und Weltbank. Man hat ja oft den Eindruck, daß die in diesen Institutionen tätigen Leute an einer bestimmten Position festhalten, ohne sich über die logische Begründung Gedanken zu machen. Ein Forum hätte die Gelegenheit geboten, sie zur Verteidigung ihrer Position aufzufordern.

Welche Gesprächsmöglichkeiten mit Weltbank- und IWF-Leuten haben Sie eigentlich?

Das sind ja öffentliche Institutionen und die arbeiten mit Regierungen zusammen. Das Hauptanliegen von Regierungen ist es, einen Kredit zu kriegen. Sie können zu bestimmten Aspekten eines Abkommens anderer Meinung sein, aber sie werden schwerlich Grundsatzfragen der politischen Orientierung aufwerfen. So kann es in einem Land Debatten geben, ohne daß die sich in den offiziellen Verhandlungen der Repräsentanten des Landes mit denen der multilateralen Institutionen niederschlagen. Meine Gespräche mit Leuten von der Bank und dem Fonds waren immer inoffiziell. Sie würden andere als offizielle Kontakte auch kaum zugeben können.

Läßt sich in Jamaika ein spezifischer Einfluß von Weltbankprogrammen ausmachen?

Früher war der Unterschied zwischen IWF und Weltbank viel klarer. Natürlich bestehen weiterhin Unterschiede - dem Anspruch nach fallen langfristige Entwicklungskredite in die Zuständigkeit der Weltbank und Zahlungsbilanzunterstützung, die fast qua definitione kurzfristig ist, in die des IWF. Im Laufe der Zeit ist dieser Unterschied aber verwischt worden, insofern sich der IWF jetzt in Richtung längerfristige Unterstützung bewegt und die Weltbank nicht nur Sektorkredite, sondern Programmkredite vergibt, die faktisch auf Zahlungsbilanzunterstützung hinauslaufen. Außerdem sind beide dazu übergegangen, „cross conditionalities“ zu stellen, d.h. sie machen die Erfüllung der Bedingungen der einen Institution zur Vorbedingung, um bei der anderen die nächste Tranche ausgezahlt zu kriegen.

Angenommen, die PNP würde die nächsten Wahlen gewinnen. Was, insbesondere im Lichte ihrer Erfahrung mit dem IWF in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, ist ihre Alternative zur gegenwärtigen Strukturanpassung?

Einer der Gründe, warum mir als einer an der Formulierung der PNP-Politik beteiligten Person das taz-Symposion so wichtig gewesen wäre, ist der, daß ja realistischerweise diese Institutionen dermaßen viel Ressourcen kontrollieren, daß ein devisenbedürftiges Land gar nicht umhin kann, in der einen oder anderen Form mit ihnen zu tun zu haben. Ich sage realistischerweise, denn nach der Entscheidung 1980, mit dem IWF zu brechen, war ich selber an der Suche nach alternativen Geldquellen beteiligt. Von allen Ländern, nicht zuletzt von Westdeutschland, Länder, von denen man doch größere Unabhängigkeit vom IWF-Weltbank-Tandem hätte erwarten dürfen, kriegten wir letztendlich die gleiche Antwort: Wir müßten uns zunächst mit den beiden Institutionen einigen. Deswegen sage ich realistischerweise, daß es eben ohne ein wie immer geartetes Abkommen nicht gehen wird. Umso mehr muß über die Bedingungen diskutiert werden.

Können Sie einige nennen?

Ja, ein wichtiger Punkt ist die Aufhebung aller Importbeschränkungen. Wir sagen, daß die produktiven Grundlagen eines Landes zerstört werden, wenn es verpflichtet wird, innerhalb kürzester Zeit alle Importrestriktionen aufzuheben. Ein anderer Bereich ist die Privatisierung. Die Vorstellung, daß Probleme der Effizienz durch die schlichte Verlagerung aus dem öffentlichen in den privaten Sektor zu lösen sind, ist naiv. Derzeit wird ein Großteil der Investitionen der öffentlichen Hand nur unter der Bedingung von Privatisierung finanziert. Damit haben wir Probleme. Ganz praktische Probleme übrigens auch, mit denen sich die jetzige Regierung, falls sie im Amt bliebe, genauso auseinandersetzen müßte. Warum? Um in der von den Haushaltsauflagen verlangten Geschwindigkeit zu privatisieren, müßte sie schlicht unter Wert verkaufen. Schließlich gibt es für uns eindeutig prioritäre Bereiche. Einer ist die Rehabilitierung der öffentlichen Versorgung, insbesondere Gesundheit und Erziehung. Das muß einfach getan werden. Die Lehrer gehen massenhaft aus den Schulen weg, andere Versorgungseinrichtungen brechen zusammen. Die Regierung hält sich an die Verpflichtung, das Haushaltsdefizit zu verringern. Das ist allerdings nicht sonderlich schwer, wenn sie den Verpflichtungen im Lande nicht nachkommt. Es kommt mir wie ein zynisches Spiel vor, auf den Erfolg der Regierung in Sachen niedrige Ausgaben zu verweisen und zur gleichen Zeit die öffentliche Versorgung zusammenbrechen zu sehen. Für diese Bereiche muß wieder Entwicklungshilfe her. Das macht doch keinen Sinn.

Was wäre Ihnen wichtig gewesen auf dem Symposion zu sagen?

Ich habe diese Veranstaltung begrüßt, nicht, weil ich eine Konfrontation mit den Weltbank-Leuten suche, sondern weil ich einige Punkte hätte zur Debatte stellen wollen. 1. Ich möchte, daß sie mir die Grundlagen ihrer gegenwärtigen Politik erklären, daß sie mir zeigen, wo denn ihre Erfolge sind. Wie sie die negativen Wirkungen einschätzen. 2. Gibt es eine gewisse Offenheit über zukünftige Strategien? Können wir einen Dialog führen über Bereiche möglicher grundlegender Gemeinsamkeit für die Zukunft? 3. Schließlich wäre mir wichtig gewesen, von ihnen zu erfahren, ob „cross conditionality“ jetzt formell und direkt zu ihrem Bezugsrahmen gehört.

Was sind Ihre wesentlichen Forderungen an Veränderungen in den IWF-Weltbank-Strategien?

Eine ist größere Flexibilität bei den einzelnen Abkommen statt der jetzt vorherrschenden Standardabkommen, in die jedes Land sich einzwängen muß. Zweitens Längerfristige Unterstützung. Bislang ist die längste Frist drei Jahre. Innerhalb von drei Jahren sollen solche Ergebnisse vorliegen, innerhalb von drei Jahren! Das ist Wahnsinn! Und schließlich: Jamaikas Schuldensituation unterscheidet sich insofern von der vieler anderer Entwicklungsländer, als ein großer Prozentsatz unserer Schulden bei multilateralen Institutionen anfällt, vor allem IWF und Weltbank, aber auch IDB (Interamerican Development Bank). Aber von ihren Statuten her ist denen eine Stundung oder Refinanzierung nicht möglich. Man will nicht auf die schwarze Liste, also bemüht man sich, das Geld aufzutreiben, kann dann aber nicht investitionsnotwendige Kapitalgüter und Rohstoffe etc. kaufen.

Können Sie sich denn gar nicht vorstellen, daß Jamaika einmal ohne IWF und Weltbank auskommt?

Nein, das ist nicht vorstellbar. Unsere Schulden binden uns für Jahrzehnte. Und selbst wenn da Lösungen gefunden würden, so kommen wir doch nicht ohne zusätzliche Weltbankmittel aus. Es handelt sich nicht um eine eo ipso tödliche Beziehung. Deswegen fand ich ja die Symposionidee so faszinierend. Es müssen unbedingt die Bedingungen diskutiert werden, aber die Beziehung als solche wird weiterhin bestehen bleiben.

Ein letztes Wort?

Naja, ich warte halt immer noch auf die Einladung.Interview: Claudia von Braunmühl