Uranschacher unter falscher Flagge

■ Mit gefälschtem Herkunftszeugnis schob die Nukem Finnland und der UdSSR südafrikanisches Uran unter

Vor zwei Monaten gebar der Hanauer Atomskandal ein neues Wort: Swap, die Umdeklarierung von Uran. Mit lästigen Auflagen versehenes oder aus h

„Compagnie Fiduciaire“ - mit einem in schlichter Gediegenheit gehaltenen Messingschild firmiert das Treuhandbüro des Monsieur Kioes in einer Gründerzeit– Villa auf dem Boulevard de la Foire in Luxemburg. Noble Altbauten dieser Art gibt es viele in diesem kleinen Land, Treuhandbüros ebenfalls, die großherzoglich– großzügige Steuergesetzgebung erklärt den Artenreichtum. Monsieur Kioes vertritt ein gutes halbes Dutzend Firmen, deren Schild erst hinter dem Eingang prangt und für die in Luxemburg weder Personalkosten noch Telefongebühren anfallen: Nur Briefköpfe und Briefkasten haben sie ihm überlassen, zu treuen Händen. Die Drähte jedoch werden woanders gezogen. Zu den Drahtziehern gehört die Nulux, der Luxemburger Ableger der Hanauer Skandalfirma Nukem. Auch den Arbeitsplatz der Staatsanwältin Astrid Maas umgibt ehrwürdige Bausubstanz. Am gestrigen Mittwochmorgen legte ihr der grüne Abgeordnete im Europaparlament Jup Weber nach monatelangen Recherchen ein Bündel Dokumente auf den Schreibtsch - samt einer Strafanzeige gegen Nulux. Die Papiere „bestätigen den Verdacht“, so Jup Weber, „daß Nulux immer dann eingeschaltet wurde, wenn Geschäfte der Nukem in der Grauzone der Paralegalität abgewickelt wurden“. Das Geschäft schien harmlos: Anfang 1987 verkaufte Nukem dem finnischen AKW–Betreiber Teollisuuden Voima Oy (TVO) in Helsinki 207.591 US–Pounds Uran in Form von U3–O8 (Urano xid). Was wie ein Routinegeschäft aussieht, war der Schlußakt einer komplizierten und politisch brisanten Transaktion in mehreren Etappen. Ziel dieser Transaktion: Die Hanauer Uran–Makler schoben hinter dem Rücken von Euratom Finnland und der Sowjetunion unter Benutzung gefälschter Herkunftszertifikate südafrikanisches Uran unter. Tauschgeschäfte Im Februar 1987 übernahm Nukem von der Firma Nufcor (Südafrikanische Uranexportgesellschaft) südafrikanisches Uran im Tausch gegen eine entsprechende Menge Uran, welche Nulux in den USA aufgekauft und auf das Hanauer Stammhaus überschrieben hatte. Der Stoff aus dem Apartheid–Staat lagerte bei der französischen Firma Comurhex. Um den wegen des Rohstoff–Boykotts hinderlichen südafrikanischen Ursprung des Urans loszuwerden, tauscht Nukem diesen gegen das nigerianische Herkunftszertifikat einer anderen Uran–Menge. Diese liegt in einer Lagerhalle der Firma Urananlage Ellweiler in Rheinland–Pfalz. Besitzerin ist der Stromkonzern Preussen–Elektra. Das ursprünglich südafrikanische Uran bei Comurhex mutiert auf dem Papier also zu nigerianischem. Es wird nochmals zwischen Nukem und Nulux hin und her verschoben und schließlich am 20.1.1987 von Nukem an TVO nach Finnland verkauft. Mit der Bitte um behördliche Absegnung waren die globalen Transaktionen von Nukem brav der Euratom in Brüssel angezeigt worden, die sich beim Swapping (Umdeklarieren des Urans) ja bisweilen recht kooperativ zu geben pflegte. Euratom besteht aus zwei Teilen: der Versorgungsagentur und der Sicherheitsabteilung (Safeguards). Erstere sah sich dieses Mal nicht involviert und teilte Nukem per Telex mit: „Da weder die Versorgung von Kunden in der Europäischen Gemeinschaft (Einfuhr) noch Material aus Gemeinschaftserzeugung (Ausfuhr) in Frage kommen, ist die Mitwirkung der Agentur (Euratom, d.Red.) nicht erforderlich.“ Die Euratom–Sicherheitskontrolle, der in den EG–Ländern in Arbeitsteilung mit der Wiener IAEA die Überwachung von Spaltmaterial obliegt, wollte allerdings sichergestellt wissen, daß das bei Comurhex lagernde und jetzt der Nukem gehörende Uran mit dem „Code p“ belegt werde. Der „code p“ steht für die Verpflichtung „paeceful enduse“, das heißt das Material darf nicht für militärische Zwecke benutzt werden. Südafrikanisches Uran hat meist den „code n“. Also „no obliga tions“ - keine Auflagen. Die Umdeklaration des Materials in „Niger–origin“ genehmigte Euratom jedoch nicht. Hanauer Eigenmächtigkeiten Trotzdem verscherbelten die Hanauer Dealer das Zeug, offenbar eigenmächtig mit dem Herkunftszeugnis Niger origin versehen, an TVO in Finnland. TVO ließ es bei Comurhex zu Uranhexafluorid konvertieren und reichte es ebenfalls unter falscher Flagge an die sowjetische Staatsfirma Techsnabexport in die Sowjetunion zur Anreicherung weiter. Offiziell boykottiert die Sowjetunion südafrikanisches Uran. Der Botschafter der UdSSR in Luxemburg, Alexandre Avdeev, reiste umgehend, durch eine Anfrage Jup Webers irritiert, nach Moskau, um die Sache zu klären. Nach seiner Rückkehr beteuerte er dem grünen Abgeordneten schriftlich, sein Land halte sich strikt an die UNO–Resolution 3295 (Boykott aller Rohstoffe aus Namibia). Er leichtert hatte der Botschafter bei den Genossen von Techsnabexport, die zu Hause das Monopol für derartige Geschäfte haben, erfahren, daß sie im fraglichen Zeitraum nur drei Uran–Lieferungen über die finnische TVO erhalten hatten: zwei kanadischen Ursprungs sowie eine aus dem Niger stammende, und zwar über die französische Firma Comurhex. Die Firma TVO habe per Telex ausdrücklich den Ursprung dieser drei Lieferungen bestätigt und darauf verwiesen, daß ihr, wie jeder finnischen Firma, vom finnischen Handels– und Industrie–Ministerium per Dekret ausdrücklich der Handel mit namibischem oder südafrikanischem Uran verboten ist. Was dem grünen Abgeordneten Weber auch von der finnischen Botschaft bestätigt wurde: Die besagte Uran–Lieferung habe TVO von einer deutschen Firma gekauft, sie wurde aus Frankreich angeliefert und stamme aus dem Niger. Keine Rede von Südafrika also. Im übrigen, so erläutern die Finnen, sei das Uran nach der Anreicherung in der UdSSR zur Herstellung von Brennstäben für finnische Atommeiler in die BRD geschafft worden. Geleimte USA? Aber womöglich hat Nukem nicht nur Euratom–Beamte, neutrale Finnen und die UdSSR hinters Licht geführt, sondern auch die USA geleimt: Noch unbelegt ist der Verdacht, die Hanauer Makler könnten im Verauf des Deals dem von Nulux in den USA als Tauschmenge für das südafrikanische Uran gekauften Uran unzulässigerweise ebenfalls den „Code n“ verpaßt haben. Dem Uran mit US– origin, das in den USA lagert, von außen den Stempel „keine Auflagen“, also: keine Beschränkung auf zivile Nutzung, zu verpassen, wäre wahrlich ein starkes Stück. Die in Proliferationsfragen höchst sensiblen US–Amerikaner brauchen jedenfalls etwas länger als Finnen und Sowjets, um Jup Webers diesbezügliche Anfrage zu beantworten. Der Luxemburger wartet noch. Thomas Scheuer